Ja, es stimmt: Ingo Appelt ist ein Frauenversteher geworden. Er, der größte Macho der deutschen Kabarett- und Comedy-Szene. Eigentlich zum Selbstschutz: Männer kann er ordentlich herabwürdigen, ohne dass diese sich beleidigt fühlen, beim weiblichen Teil der Bevölkerung muss Appelt vorsichtiger sein. Jedes Wort auf die Goldwaage legen und dem angeblich so schwachen und doch so bedrohlichen Geschlecht schmeicheln. „Frauen sind Göttinnen“, sagt er jetzt. Doch trotz dieser Neuausrichtung: Appelt bleibt Appelt. Böse, zynisch, versaut. Und gut.
„Komm raus, du alte Sau!“ Genau so ruft man Ingo Appelt auf die Bühne des ausverkauften Bonner Pantheons. Zusammen mit kräftigen „Ingo, Ingo, Ingo“-Rufen, Frauengekreische und Männergejohle. So und nicht anders. Gefeiert wie ein Rockstar, das schmeichelt dem Ego gewaltig. Partystimmung und eine verruchte Grundhaltung: Wenn diese Mischung passt, fühlt Appelt sich wohl, auch wenn sie für ein Programm mit dem Titel „Frauen sind Göttinnen“ etwas ungeeignet scheint. Appelt gelingt es allerdings meisterhaft, diesen Spagat zu machen, huldigt der Weiblichkeit, die schon durch ihre bloße Existenz die testosterongetriebenen, tierhaften Männer mit ihrer dreifaltigen Triebfeder („töten, ficken, kochen – also alles, wo man etwas Spitzes in etwas Weiches steckt“) zähmt und diszipliniert, und bietet sogar eine Religion an, die im Gegensatz zur katholischen Kirche den Frauen Respekt entgegenbringt. Mit ihm als Messias. Natürlich. Darunter macht er's nicht. Halleluja.
Frauen sind schon was Wunderbares. Grundsätzlich nie schuld (deshalb müssten sie auch nicht zur Beichte gehen) und in der Lage, sich durch Reden in der Gesellschaft zu orientieren. Ähnlich wie Fledermäuse. Davon können Männer nur träumen. Und die Frauen für ihre überragenden Fähigkeiten anbeten. Diese beweisen im Pantheon sogar übersinnliche Fähigkeiten – auf nahezu jede Frage Appelts kennen sie die richtigen Antworten. Machen Frauen Fehler? Ja. Sind Frauen schuld? Nein. Wer ist schuld? Die Männer. Jeder Schuss ein Treffer. Wahrhaft, es ist ein Wunder. Halleluja.
Doch so ganz scheint die disziplinierende Wirkung der Frauen nicht zu wirken. Im Saal bleiben die Männer zwar relativ brav, auf der Bühne dreht Appelt (der eigentlich nicht mehr „ficken“ sagen wollte) dagegen immer weiter auf, steigert die Schlagzahl seiner Obszönitäten – und schafft es dabei irgendwie, zu keinem Zeitpunkt peinlich zu wirken. Ob er nun über Onanie und Masturbation spricht, über das tiefergelegte Köln oder über die derzeitige Politikerreige um die „biologische Waffe Angela Merkel“, vor der selbst der erklärte SPD-Mann Appelt Angst hat, spielt dabei keine große Rolle. Die Lacher hat Appelt allemal auf seiner Seite.
Besonderen Beifall erhält Appelt für seine gelungenen Imitationen. Ex-Kanzler Gerhard Schröder gehört ebenso dazu wie eine ganze Reihe von Comedians und Kabarettisten, über die Appelt sich köstlich zu amüsieren vermag. Auch Mario Barth, im Gegensatz zu dem Messias der Weiblichkeit auf der Bühne ein Frauen-Nichtversteher, kriegt sein Fett weg. Auch Till Schweiger, dessen erotische Ausstrahlung in dem Moment ins Negative umschlägt, in dem er den Mund aufmacht, und dessen erster Hamburger Tatort daher zur Lachnummer zu verkommen droht. Und auch Herbert Grönemeyer, der nach eingehender Analyse Appelts bei den Frauen trotz seiner zusammengescrabbelten Texte deshalb so gut ankommt, weil er eine pre-ejakulative Gesangstechnik pflegt, irgendwie immer kurz vor dem Ausbruch steht und nie kommen darf. Das weckt Mitleid. Daher soll Grönemeyer auch zusammen mit Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen in die Welt hinausziehen und um etwas Geld bitten. Für Angie. Für Deutschland. Für Ingo, der derzeit noch (für) die drei Stars singen und dazu auf den kalten Brettern strippen muss. Bis runter auf die Netzunterhose. Halleluja.
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