Ein ostwestfälischer Vorleser, eine bewegungsfreudige Diseuse, ein nahrungsmittelunverträglichkeitsintoleranter Chemiker und ein Provokateur im Anzug: Die Besetzung des 81. WDR-Kabarettfests im Bonner Pantheon ließ am Montagabend keine Wünsche offen. Moderator Tobias Mann, der dank ausführlicher Intermezzi zum fünften Spaßmacher des Abends wurde und politisches Kabarett im nicht immer ganz passend wirkenden locker-flockigen Comedy-Stil darbot, präsentierte in der vom Rundfunk aufgezeichneten Sendung mit Bernd Gieseking, Nessi Tausendschön, Phillipp Weber und Florian Schroeder vier hervorragende Gäste, die das Publikum jeder auf seine Weise unterhielten. Bernd Gieseking profitierte dabei am stärksten von dem Radio-Format: Ruhig hinter einem Schreibtisch hockend ließ der gebürtige Mindener seine sonore Stimme voll zur Geltung kommen und las aus seinem neuen Buch „Finne dich selbst“. Mit wunderbar feinem Humor erzählt er darin von einer Finnlandreise mit seinen Eltern, die er oft in breitestem Ostwestfälisch zu Wort kommen lässt, was zumindest akustisch vom Finnischen kaum zu unterscheiden ist. Dazu natürlich der Zusammenprall der Kulturen: Alster-Trinker versus Wirkungs-Trinker zum Beispiel. Köstlich.
Nessi Tausendschön hatte es dagegen nicht ganz so leicht. Zum einen brauchte es oft eine gewisse Zeit, bis die Gehirne des Publikums die brillanten Pointen der selbsternannten Schabracke des
deutschen Kabaretts entschlüsselt hatten – zum anderen lässt sich zwar ihr fantastischer Gesang, nicht aber die dazu gehörige Tanzeinlage im Radio vermitteln. Und so werden die Hörer des
Programms nicht bemerken, was sie alles verpassen: Ein beinahe hypnotischer Ausdruckstanz und ein eindrucksvolles Mienenspiel, eine szenische Satire der Extraklasse.
Die Bewegungen von Phillipp Weber waren dagegen vernachlässigbar, auch wenn dieser fast ebenso ausgiebig gestikulierte wie Frau Tausendschön. Der Hobbykoch und Chemiker (eine ganz gefährliche
Kombination) hat das Essen zu seinem Thema gemacht und zieht gegen Geschmacksverstärker und andere Zusatzstoffe zu Felde. Einmal Tütensuppenraten, dann Brötchenanalyse. Alles Chemie – kein
Wunder, dass Allergien sich verbreiten wie Karnickel. Auf die reagiert wiederum Weber allergisch – nicht auf die Karnickel, auf die Allergien, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten und
Intoleranzen. Ein Rouladenabend mit Freunden fällt so ins Wasser. Das ist typische Comedy, die neuerdings ja gerne mal mit wissenschaftlichen Fakten garniert wird, um ihr Seriosität zu verleihen.
Auf die Brillanz der Gags hat das allerdings keinen Einfluss – die ist bislang vielversprechend, kann aber noch Politur vertragen.
Zu guter Letzt dann Florian Schroeder, der natürlich prompt gegen Bettina Wulff zu wettern begann. Ist derzeit schließlich Aufregerthema Nummer eins, auch Tobias Mann hatte sich zuvor schon
darüber ausgelassen – und war besser. Denn Schroeder glitt gleich ins Polemische ab, ins Provokante; er liebt es Themen nicht nur zu überspritzen, sondern so sehr zu übertreiben, dass sie schon
auf der anderen Seite des Satiregipfels wieder herunterfallen. „Jetzt kommen die richtig harten Gags“, bekannte er im Pantheon und zog sogleich mit harten Sprüchen über die Reaktion des Papstes
auf das „Titanic“-Cover her, das den Pontifex mit besudelter Soutane zeigte. Schocken, um Wirkung zu erzielen – ein Ansatz, der funktioniert, der aber auch schnell Bauchschmerzen verursachen
kann. Zumal Schroeder selbst sich immer weiter aufbauschte, zum Motivationstainer auf dem Kreuzzug gegen das „Jein“ mutierte, mit „Ich bin Gott“-Rufen das Selbstbewusstsein des Publikums stärken
wollte und dann doch bei der Ellbogenmentalität rauskam. Besser als „Jein“ sagen ist das auf jeden Fall nicht.
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