Irgendwie ist das Bonner Publikum nicht so ganz wach. Kollektive Sing-Lethargie, und das trotz der Spaßgaranten von Fiddler's Green, die auf der Harmonie-Bühne stehen und die Menge in die Tiefen des Speedfolk reißen wollen. Ganz ohne Strom, was die Band nicht davon abhält, richtig Gas zu geben. Jubel gibt es denn auch mehr als genug, ebenso wie wilde Tänzchen – nur beim Mitsingen läuft es nicht immer rund. Bei „Cripple Creek“ offenbart die gesamte Empore Textschwierigkeiten, bei zwei essentiellen Zeilen von „Victor and his Demons“ schweigt gar der ganze Saal peinlich berührt.
Fiddler-Fans sollten das eigentlich besser können. Immerhin: Ein junger Mann eilt zur erlösenden Ehrenrettung, schmettert die Phrase in das ausgestreckte Mikro von Frontsänger Ralf „Albi“ Albers
– und alles ist wieder gut.
Trotz dieser leichten Irritationen und der mit 19 Uhr ungewöhnlich frühen Anfangszeit des Konzerts liefert Fiddler's Green eine exzellente Show ab. Wie so viele Bands, die sonst mit E-Gitarren
und -Bässen für tonale Masse sorgen, tut auch den Speedfolkern die Rückbesinnung auf die alten, akustischen Saiten-Instrumente gut. Die Konzerte auf dieser Tour sind vielleicht etwas kleiner als
gewohnt, aber auch deutlich feiner. Schon lange hat Fiddler's Green nicht mehr so gut, so präzise, so echt geklungen. Und so abwechslungsreich: Neben den klassischen Turbo-Nummern wie „Drive me
mad“ schießt die Band vor allem in der zweiten Hälfte ein farbenfrohes musikalisches Feuerwerk ab, präsentiert mit der Rock-Ballade „Apology“ eines der schönsten Stücke des Abends, mäandert mal
in Richtung Country und Bluegrass („Charlie“, „Strike back“), dann wieder in die lateinamerikanische Ecke, auch wenn das als Bossa Nova angekündigte, bislang unveröffentlichte „Yindy“ eher einen
Ballermann- als einen traditionellen Stil pflegt. Macht aber nichts – das Stück ist großartig, innovativ und wie die meisten Fiddler-Songs ein Stimmungsgarant.
Fiddler's Green scheint sich in ihrer Akustik-Haut wohlzufühlen. Co-Sänger und -Gitarrist Patrick Pat Prziwara (der vor allem bei „Victor and his Demons“ mit seiner angerauten, kraftvollen Stimme
begeistert), Geigenmeister Tobias Heindl und Akkordeon-Spieler Stefan Klug sitzen weitgehend entspannt auf Barhockern, während Albi eher auf seinem Sitz herumturnt, immer wieder einen Balance-Akt
versucht, die Füße gerne in Richtung Publikum streckt und dabei teilweise gefährlich nahe am Mikrofon-Ständer vorbeischrammt. Zwischendurch werden mal die Finger als Pommesgabel in Richtung
Publikum gestreckt, in dem sich gegen Ende des Konzerts prompt ein Teufelskessel bildet: Wild herumspringende Tänzer außer Rand und Band, menschliche Billard-Kugeln, die immer wieder an die nicht
immer amüsierte Leiber-Bande stoßen. Doch Fiddler's Green passt auf: Vor allem in den Zugaben reiht sich nicht etwa ein Power-Song an den nächsten, sondern mischt sich vielmehr mit Balladen,
Instrumentalstücken oder irischen Traditionals, die die Fiddler vor mehr als 20 Jahren auf ihrem ersten Album verwendeten. Und so endet das Konzert gegen 21 Uhr, wenn die Auftritte normalerweise
erst anfangen, harmonisch und verträglich. Hätte ruhig noch zwei Stunden so weitergehen können.
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