Diesen hat sich Alsmann nämlich inzwischen angenommen: Den Titeln von Charles Aznavour, Charles Trenet und Gilbert Bécaud, für die er alte Übersetzungen gesucht oder neue geschrieben hat und die
er in gefällige, luftige, lässige und leider oft vorhersehbare Arrangements gesteckt hat, in musikalische Versionen der neuen babyblauen Anzüge, mit denen der Entertainer und seine Band so sehr
kokettieren. Doch längst nicht jeder kann babyblau tragen. Oder eine schwarze Krawatte mit weißen Punkten.
Alsmann hat sich seine Chansons schön monothematisch zusammengesucht. Liebe und Begierde: Ein Abend lässt sich damit ohne weiteres füllen. Vor allem wenn das Spiel mit Klischees ganz bewusst
eingesetzt wird, um das Konzert rosarot zu färben. Quasi als Komplementärfarbe zum Babyblau. Dabei setzt der „Perlenfischer aus Münster“ weniger auf bekannte Titel, verweigert sich Bécauds
„Nathalie“ ebenso wie Jacques Brels „Ne me quitte pas“ und gräbt lieber in der Bibliothek der beinahe vergessenen Lieder. Dalidas „Aime-moi“ („Liebe mich“) findet er dort, das unglaublich
schmalzige „Le petit indien“ („Der Junge im Boot“) oder Serge Gainsbourgs „Et maintenant“ („Was wird aus mir“), dem der Schatzjäger in seiner Version jede Schwere und damit leider auch einen Teil
der Aussage nimmt. Ein kleiner Fehlgriff, und nur einer von mehreren (so ist der Schlagzeug-Part in „La Mer“ nicht wirklich gelungen). Doch Alsmann gelingt es, derartiges an anderer Stelle wieder
auszubügeln, etwa mit dem bezaubernden „Der Vagabund und das Kind“ des Jugend-Idols Eddie Constantine, dessen Flirt-Technik sich Alsmann inzwischen weitaus souveräner zu bedienen weiß als in den
60ern auf einer katholischen Tanzparty. Daran erinnert er sich noch gut, erzählt in seiner gewohnt expressiven Art von dem Debakel, so wie auch von seiner ersten Begegnung mit Bécaud, dessen
Bum-chicki-Bum-chicki-Rhythmus und einer Coolness, die Alsmann bis heute anstrebt. Schöne Geschichten, amüsant, frech, hervorragend erzählt – und abseits vom Musikalischen ein essentieller Grund
für die Begeisterung des Publikums.
Die musikalische Vielfalt der Stücke, die Alsmann in seinem Paris-Album adaptiert hat, offenbart sich erst im Verlauf des Abends. Denn auf den großen Schuss Pepp muss man etwas warten – dann
jedoch kommen Charles Trenets „Bummm“, Gainsbourgs großartig-freches „Der Wolf tanzt Cha Cha Cha“ und Charles Aznavours bissiges „Du lässt dich gehen“, ein Highlight nach dem nächsten. Und auch
die erstklassige Band erreicht auf einmal neue Strahlkraft: Vibraphon-Spieler Altfrid Maria Sicking darf bei dem erstgenannten Titel nicht nur brillieren, sondern tatsächlich zaubern, während
Markus Paßlick bei der Rotkäppchen-Geschichte in den Vordergrund darf. Nur kurz, natürlich, denn da steht ja noch Götz Alsmann. Der trotz mancher Vorhersehbarkeiten ein Garant für einen
unterhaltsamen Abend ist. Auch wenn fast alles babyblau war.
Natürlich geht es um Liebe. Worum auch sonst. Erstens ist es Götz Alsmann, der singt, und zweitens handelt das Programm, das der Troubadour des schmalzigen Jazzschlagers auf Einladung des
Hauses der Springmaus in der Bonner Oper vorstellt, von Paris. Nicht dem echten, das abseits der touristischen Zentren mit den üblichen sozialen Problemen der meisten Großstädte zu kämpfen hat,
sondern dem verklärten, idealisierten, klischeebeladenen Paris. Cité d'amour. Und Zentrum des Chansons.
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