Gefühlvolle Abschiede zwischen Tränen, Spott und Zärtlichkeit: In Hannelore Hogers Lesung aus der von Sybille Berg herausgegebenen Briefesammlung „Und ich dachte, es sei Liebe“, die am vergangenen Samstag auf Einladung des Bonner Theaters und des Literaturhauses Bonn die Kammerspiele in Bad Godesberg füllte, ziehen Frauen einen literarischen Schlussstrich, befreien sich von einer emotionalen Last, rechnen ab mit der Männerwelt.
Meist sind es starke Charaktere: Simone de Beauvoir, die mit „trockener Traurigkeit statt kaltem Zorn“ die letzte Liebeserklärung eines „lumpigen Herzens“ an Nelson Algren richtet; Krimiautorin
Dorothy L. Sayers, die mit spitzer Zunge ihrem Ex-Geliebten John Cournos von ihrem (aber nicht seinem) Sohn erzählt; Alma Mahler-Werfel, derer sich Gustav Klimt in ihren Augen als unwürdig
erwiesen hat. Dazu trauernde Figuren wie die von H.G. Wells verlassene Rebecca West oder die Expressionistin Paula Modersohn-Becker. Ihnen allen leiht Hannelore Hoger eine Stimme, versetzt sich
in diese Frauen hinein, spielt sie in all ihrer Emotionalität.
Es zeichnet Hannelore Hoger aus, dass sie mit nur wenigen Mitteln von einer Rolle in die nächste schlüpft: Eine kleine Modulation, ein anderer Duktus, ein leicht umgestellter Rhythmus, schon wird
aus der resoluten Bella-Block-Stimme das dunkle, rauchig-verführerische Organ Marlene Dietrichs oder der weinerliche Tonfall Rebecca Wests. Eine Kunst, die längst nicht all jene Schauspieler
beherrschen, die zwischen Drehpausen Hörbücher sprechen und auf Lesereise gehen. Doch selbst unter den Könnern ist die Hogersche Wandlungsfähigkeit und Stimmvirtuosität etwas besonderes. Und so
werden die verlesenen Briefe, ohnehin faszinierende, intime Dokumente der Emanzipation und der Kunst, zu lebendigen Zeitzeugnissen, die das Publikum in ihrem Wechsel zwischen Ernst und Witz
ebenso begeistern wie ihre Vorleserin, die sich zweimal auch in einem an Kurt Weill erinnernden erzählenden Gesang versucht, zu dem sie der sonst kleine musikalische Intermezzi spielende Pianist
Sigfried Gerlich begleitet.
Im zweiten Teil des fast zweistündigen Programms wechselt Hannelore Hoger die Texte: Statt Abschiedsbriefen greift sie zu Essays und Gedichten von Kurt Tucholsky, mit dessen Œuvre sie seit mehr
als 20 Jahren erfolgreiche Leseabende veranstaltet. So ist es kein Wunder, dass sie auch hier immer den richtigen Ton findet, teils in einem leichten Berliner Dialekt einen Beleuchter erzählen
lässt, teils einschmeichelnd-verharmlosend eine Affäre beichtet oder in die Rollen zweier ungeborener Zwillinge schlüpft, die sich im Uterus über Zukunftschancen streiten – letzteres übrigens ein
Text, der in 80 Jahren nichts von seiner Aktualität verloren hat, unterhaltsam und nachdenklich machend zugleich. Eine schöne Ergänzung zu den Briefen. Und dank der vielseitigen Hannelore Hoger
ein schöner Abschluss eines ebenso schönen Abends.
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