Dieser Sessel ist etwas besonderes. Für den einen das einzige wertvolle Möbelstück, das er besitzt, für den anderen das einzige, das ihm noch fehlt. Altersarmut gegen Yuppietum, Rentensorgen gegen Zukunftsängste. Und Henning Venske gegen Kai Magnus Sting. Der alte Wolf und der junge Wilde haben sich zusammengetan, um sich auf der Bühne prächtig über Lebenseinstellungen, Religion, Kinder und den gesamten Generationenkonflikt zu streiten. So auch im Bonner Pantheon, wo das Duo am Samstagabend sein nagelneues Programm „Gegensätze“ präsentierte: Eine nachtschwarze, satirische Abrechnung voller beißendem Zynismus und ein kabarettistisches Kammerspiel der Extraklasse.
Gut steht es nicht um die Welt, darin sind sich Venske und Sting weitgehend einig. Und die Zukunft, die wird noch viel schlimmer. Da übernehmen die Krankenkassen die Kosten des Dopings, da eine
gesteigerte Leistung mehr Geld in die klammen Kassen spült, während die Schulzeit weiter zusammengestrichen wird und die Kinder schon mit sieben Jahren ins Arbeitsleben einsteigen können. Sonst
wird das mit der Rente ohnehin nichts mehr. Langzeitarbeitslose werden entlassen, und zwar erst aus der deutschen Staatsbürgerschaft und dann in die Weiten der Mongolei, während
Mecklenburg-Vorpommern als Atomtestgelände an den Iran verkauft wird – dient alles der Sanierung Europas. Und irgendwann vereinen sich dann die Großbanken, kaufen die wenigen verbliebenen
Megakonzerne auf, konstituieren sich als Weltregierung und etablieren eine Planwirtschaft. Schöne neue Welt.
Für Venske sind diese Ansichten nichts Neues, schon in früheren Programmen hat er gerne den Pessimisten gespielt, der wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen auf die dystopische
Spitze trieb und immer wieder harte Angriffe gegen jede Art von Religion fuhr. Doch zuletzt hatte er mit Jochen Busse einen Bühnenpartner, der durch seine gewohnt liebenswürdige Art öfters einen
beruhigenden Gegenpol bildete. Für Kai Magnus Sting keine Option: Zu sehr genießt der 34-Jährige den Disput mit Venske, den er mit erfrischender Respektlosigkeit ständig aufs Neue herausfordert.
Dabei greift er zu den selben Waffen wie sein Senior-Partner, schießt eine provokante Aussage nach der anderen in Richtung seines Gegenübers, der schon aus Prinzip die meisten Kommentare als
dynamisch triefendes Botox-Geschwätz abtut, seinerseits giftige Pointen serviert und sich bei der erstbesten Gelegenheit dieser rhetorisch höchst anspruchsvollen Reise nach Jerusalem den
umstrittenen Sessel unter den Nagel reißt. Dazwischen ein hilfloses Publikum, das häufig nicht weiß, ob es schlucken oder lachen soll. Meistens beides. Und dann richtig.
Kommentar schreiben