Klammerblues-Zeit. Mal wieder. Jean Faure lächelt: Er liebt diese alten Balladen, zu denen er selbst in den 60er Jahren in Frankreich wohl, eng an eine junge Frau gekuschelt, getanzt hat. Nostalgie im Blick und in der Stimme. Fauré singt „C'est extra“, dieses erotische Stück von Léo Ferré mit dem mehrdeutigen und darum nahezu unübersetzbaren Text – und das Publikum im Pantheon hört gebannt zu, schwelgt vielleicht selbst in Erinnerungen oder genießt einfach nur diese wunderbar sonore Stimme, die von einer exzellenten Band wie auf einem Samtkissen getragen wird. „Verstehen Sie, was ich da singe?“, fragt Faure. Ja, sagt das Publikum. Alles in Ordnung. Weitersingen. Ist grad so schön.
Bei dem Konzert im Bonner Pantheon präsentiert Faure ein Best-of-Programm. Auch hier: Mal wieder. Denn nachdem bereits ein ähnlicher Abend im März restlos ausverkauft war und das Publikum den
Bonner Chansonnier gar nicht mehr von der Bühne lassen wollte, legt der „Vereinsfranzose“ des „Pink Punk Pantheon“ nun mit einer Hommage an die 60er Jahre nach. Berühmte Songs wie Gilbert Bécauds
zwischen Chanson und Kasatschok changierendes „Nathalie“, Jacques Brels „Amsterdam“ (bei der Ankündigung geht ein Raunen durch den Saal) oder das legendäre, in Frankreich zeitweilig verbotene
Antikriegslied „Le Déserteur“ von Boris Vian stimmt er an – und Songs von Georges Brassens. Immer wieder Brassens, dieser Großmeister des literarisch anspruchsvollen Chansons, dem Foure an diesem
Abend ebenso huldigt wie dessen Schüler und Freund Claude Nougaro. Provokant der eine, experimentierfreudig der andere – zwei Eigenschaften, die auch Foure zu teilen scheint. Mit Genuss zitiert
er etwa Brassens-Übersetzungen, etwa bei dem feministischen „Quatre vingt quinze pour cent“, dass den weiblichen Orgasmus mit Engelsgesang gleichsetzt, der aber nur aus Nächstenliebe erklingt –
„dass der dumme Gockel, der da auf der Stange sitzt, nicht enttäuschet ist!“ Und dann stürzt Faure sich wieder voller Elan in das eindrucksvolle, langsame Latin-Stück „Bidonville“ Nougaros.
Vor allem diese komplexen Stücke kommen erst durch die hervorragende Band richtig zur Geltung. Hedayet Djeddikar, der mit seinen Französisch-Versuchen Faure ab und an trietzt, ist am Piano ebenso
virtuos wie der herausragende Kristaps Grasis an der Gitarre (vor allem für seine Soli bei „Indifférence“ erhält er enormen Beifall) oder der Multiinstrumentalist Matthias Höhn, der vor allem mit
sanft gespielten Saxofon-Passagen angenehm auffällt. Bassist Markus Quabeck und Drummer Dirk Ferdinand sorgen für das rhythmische Fundament, präzise, gefühlvoll und solide – die perfekte
Kombination.
Nach mehr als zwei Stunden französischer Musik vom Feinsten ist das Publikum im Pantheon begeistert, auch wenn der ein oder andere sicherlich trotz der anfangs vollmundig angepriesenen
Französischkenntnisse für Jean Faures teils ausführliche, erklärende Moderation dankbar war. Der wiederum tat dem deutschen Publikum dann doch einen Gefallen und sang ein Lied auf Deutsch:
Camillo Felgens „Sag warum“. Aus Nostalgiegründen. „Keiner von uns in Frankreich hat damals den Text verstanden, aber da man so schön eng tanzen konnte, hat dieses Stück eine ganze Generation
geprägt“, erklärte Faure grinsend. Typisch. Und mal wieder Klammerblues-Zeit.
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