Ja, chillen gehört jetzt zum deutschen Wortschatz. Das haben die wichtigsten Sprach-Akteure in einer Generalversammlung beschlossen – also nicht die Duden-Redaktion, sondern die Verben, die Substantive, die Adjektive und all ihre Angehörigen, denen Jochen Malmsheimer in seinem neuen Programm „Ermpftschnuggn trødå!“ das Wort erteilt. „Zuzug ist Bereicherung“ ist das Kredo des glossophilen Kabarettisten, der am Freitag und Samstag vor einem bis auf den letzten Platz belegten Pantheon spielte – aber auch, unterschwellig, „Die Sprache reguliert sich selbst“. Und sei es dass als Antwort auf die Verstümmelung des „Ph“ durch die Rechtschreibreform die Worte selbst, allen voran der bemitleidenswerte Delfin und die Fotografie, rebellieren und den Spieß umdrehen, „ff“ und „v“ an den Kragen gehen und aus der Muffe die Muphe machen. Der Kampf gegen den Pherfall der deutschen Sprache wird eben mit allen Mitteln geführt.
Jochen Malmsheimer ist an dieser Stelle wieder in seinem Element: Er wettert, keift, brummelt, grummelt, fabuliert und deklamiert, redet sich in Ekstase und entlädt dieses Sprachgewitter krachend
über dem staunenden und begeisterten Publikum. Kein anderer Kabarettist verfügt über eine ähnliche Sprachgewalt und Leidenschaft wie dieser Wortschatzmeister, der das Grimmsche Wörterbuch schon
mit der Muttermilch aufgesogen und die Inhalte in den Tiefen seiner Seele gespeichert haben muss. Dieses Talent nutzt Malmsheimer nun nicht nur zum Kampf um das Wohlergehen der deutschen Sprache,
sondern auch um gegen einige seiner Meinung nach unnötige Modeerscheinungen zu Felde zu ziehen. Nicht etwa die Verwendung (Entschuldigung: Pherwendung) des Wörtchens „chillen“, das ist ja OK.
Aber tiefsitzende Beinkleider oder das heutzutage oft nur noch mit einem Rasterelektronenmikroskop auffindbare Niveau im Fernsehen, das sind Aufregerthemen, die eines malmsheimerschen Psalms
bedürfen, eines verbalen, mahnenden Donnerwetters. Merke: „Früher war nicht alles besser. Aber früher war vieles gut – und das wäre es auch heute noch, wenn man die Finger davon gelassen hätte!“
So wie das Wurstbrot. Aber das ist eine andere Geschichte.
Neben der Pherteidigung der deutschen Sprache und den nostalgischen Reminiszenzen an Kilts und Heinz-Sielmann-Sendungen bestimmt ein dritter, Fans bereits bekannter Aspekt das neue
Malmsheimer-Programm: Das Altern. Im letzten Programm hatte der 51-Jährige bereits dem Sensenmann in die Augenhöhle geschaut, jetzt beobachtet er eine Zunahme der hominiden Plattentektonik, etwa
das Auftürmen Himalaya-ähnlicher Strukturen oberhalb des äquatorialen Gürtels – und doch scheinen diese Veränderungen ihren Schrecken verloren zu haben. Der „schöne Mann um die 50“ ist ein
Best-Ager – und solange er nicht beginnt, die Senioreneinheitsfarbe beige zu tragen und sich vor dem kastenförmigen Massenverdummungsgerät im heimischen Wohnzimmer mit Hilfe von Kochsendungen den
Intellekt aus dem Leib kasteit, ist alles in bester Ordnung.
In dieser thematischen Melange dient Jochen Malmsheimers fantastischer Duktus als einziger roter Faden – das reicht aber auch völlig aus. Und so spielt es eigentlich auch keine große Rolle, was
der ominöse, angeblich 100.000 Jahre alte Ausspruch „Ermpftschnuggn trødå!“ eigentlich bedeutet. Wer des Rätsels Lösung kennen will, müsste einen Neandertaler fragen. Oder Jochen Malmsheimer.
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