So wirklich scheint Olli Dittrich nicht zu wissen, wo er ansetzen soll. So viel gibt es zu erzählen aus seinem Leben, so viele lustige, nostalgische, melancholische Erinnerungen hervorzukramen. Längst nicht alle davon stehen in Dittrichs Buch „Das wirklich wahre Leben“, aus dem der 56-Jährige an diesem Dienstagabend im Bonner Pantheon immer wieder vorliest. Die Enttäuschung mit der ersten Freundin hat er ebenso aufgearbeitet wie seine Liebe zum HSV oder die große Zeit mit seinem „gefiederten Freund“ Wigald Boning.
Aber auch die schweren Jahre zuvor, als Dittrich am Rande des Existenzminimums lebte und als Beschäftigungstherapie kleine Hörspiele aufnahm, die die Grundlage für „Olli, Tiere, Sensationen“ und „Dittsche“ bildeten, gehören zu diesem Rückblick. Kleine Geschichten sind daraus entstanden, wunderbar poetische, leise Texte, in die sich ab und zu ein wehmütiger Unterton eingeschlichen hat, die meistens aber von unaufdringlichem Humor bestimmt werden.
Doch Dittrich liest nicht nur, er offenbart sich. Erzählt von seiner Familie (vor allem von seiner Oma), von der frühen Begeisterung für das Fernsehen und den Abenteuern, die er, der Crew der
„Raumpatrouille Orion“ gleich, in seinem mit Lichtgeschwindigkeit durchs All rasenden Schrank seines kleinen Bruders nachgespielt hat. Wie er, bei Eiseskälte drei Stunden vor dem Stadion
ausharrend, sein großes Idol Uwe Seeler abpasst und um ein Autogramm bittet, nur um dann festzustellen, dass die Kugelschreibermine eingefroren ist. Oder wie er während seiner Zeit bei RTL
Samstag Nacht eine Einladung – oder war es eine Vorladung? – von Rudi Carrell erhält und diesen in seiner Garderobe vor lauter Zigarettenqualm kaum ausmachen kann. Was gleich zur nächsten
Anekdote führt, zur nächsten Erinnerung, die Dittrich an diesem sehr persönlichen Abend spontan aus seinem Gedächtnis hervorholt.
Natürlich kommt Dittrich immer wieder auf Wigald Boning zu sprechen, mit dem ihn so viel verbindet. Zwei Clowns, die Narrenfreiheit hatten, sich austoben konnten. Viele Nonsens-Ideen haben die
zwei realisiert, noch mehr blieben reine Fantasien. „Der Hauptspaß bestand darin, sich gegenseitig anzustiften“, erzählt Dittrich, der sich immer wandeln durfte und sich so zu einem begnadeten
Parodisten entwickelte. Natürlich lässt er auch im Pantheon die Stars aufmarschieren: Otto, Udo Lindenberg, Boris Becker, Franz Beckenbauer, Franziska van Almsick, all die berühmten Gäste aus
„Zwei Stühle, eine Meinung“. Dazu Kunstfiguren wie Mike Hansen, Butsche Roni – und immer wieder Dittsche.
Gegen Ende des Abends spricht Dittrich dann von den Doofen, jenem Nonsens-Duo, dass einmal vor 150 Fans ein CD-Release-Konzert im Münchener Olympiastadion gegeben und es bis ins Vorprogramm des
völlig perplexen Jon Bon Jovi geschafft hat. Ein unglaublicher Erfolg. Und ein vergänglicher. Zumindest klingt dies in einer Szene des Buches an, als Dittrich am Flughafen in einer Schlange
vor dem Abflugschalter steht, unerkannt, von den Kritikern als alberner Handlanger und Schatten seiner selbst tituliert. Dann kommt sie, die Diva, die direkt von Fans umschwärmt wird. Ein Foto
soll gemacht werden, Dittrich drückt auf den Auslöser. Und die Augen von Anke Engelke weiten sich. Eine schöne Geschichte, die mit einem feinen Lächeln auf den Lippen erzählt wird. Zumal nach der
Show sicherlich wieder einige Fotoapparate gezückt, wieder Bilder gemacht werden. Und diesmal steht Olli Dittrich auf der anderen Seite der Kamera.
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