„Jetzt bin ich aber leicht ins Schweifeln gekommen“, sagt Piet Klocke irgendwann während seines Auftritts im Bonner Pantheon. Selbsterkenntnis, die nicht sonderlich viel bringt – wenige Sekunden später hat der schlaksige Rotschopf schon wieder drei völlig unabhängige Themen berührt und nähert sich auf einer assoziativen Achterbahnfahrt mit vollem Schwung dem vierten. Und das Publikum versucht verzweifelt, ihm bei seinen Ausführungen zu folgen, ihm vielleicht sogar irgendwann, wenn Klocke eine seiner berühmten Pausen einlegt, einen Schritt voraus zu sein. Vergebens.
Keiner beherrscht dieses Spiel mit dem Anakoluth, dem Satzabbruch, so gut wie Klocke. Mit beinahe dadaistischem Touch redet er über alles und nichts, über Träume, Musik, Evolution und Sexualität
– ein Wasserfall der Worte, die oft nicht zusammenpassen und doch auf mehreren Ebenen Bedeutungen erschließen können. Einen Platz weiter liegen die Worte brach: Angelika Kleinknecht (Simone
Sonnenschein), bis zu ihrem sechsten Lebensjahr von Pelikanen aufgezogene Ausnahmesaxofonistin, sitzt in schüchtern-mädchenhaftem Outfit neben diesem Wortchaoten und schweigt, flüstert höchstens
ab und und ihrem Nachbarn etwas ins Ohr. Oder spielt und sagt mit ihrer Musik mehr als mit tausend Worten.
Es ist ein köstliches Duo: Der hyperexpressive Professor und das zaghafte, recht seltsame Mädchen, das mit unerwarteten Aktionen und unhörbaren Kommentaren Klocke an den Rand des Wahnsinns
treibt. „Hört endlich auf, Schnabeltiere zu essen, verdammt!“, fordert dieses pelikanöse Persönchen etwa auf ein paar Handzetteln – oder faltet, während Klocke irgendwas über die Unterdrückung
von sensiblen Männern redet, aus einem Tuch einen Dildo. Warum sie dann aber am Ende des Programms einer Lektion in Sachen Aufklärung bedarf, die ihr inzwischen völlig verstörter Mentor ihr mit
Verzweiflung in den Augen nahezubringen versucht...
Einen großen Moment hat Frau Kleinknecht unmittelbar nach der Pause, als sie, mit feuerroter Perücke und dem Zwilling von Piet Klockes Karoanzug bekleidet, eine erstklassige Parodie auf den
55-Jährigen bietet. Da spricht sie denn auch, das Klöckchen, bis der echte Klocke, im Bademantel und leider nicht im Kleinknecht-Kleid, sie von der Bühne scheucht und nach dieser Aufregung
erstmal Dampf ablassen muss. Thema Evolution: Die hat Klocke nämlich gefressen. „Wenn ich von Design keine Ahnung habe, da gibt es doch Berater“, wettert er mit Blick auf Qualle und Hummel. Vor
allem letztere tut ihm leid: Keine Ahnung von den Grundbegriffen des Fliegens, kennt noch nicht einmal Zwischengas, und weiß vor allem nicht, wo sie überhaupt hin soll. „Die Hummel hat überhaupt
keine – da ist nichts“, so der Professor. Wie gut, dass das Klocke anders ist. Der weiß zwar auch nicht so ganz, wo er eigentlich hin will, lässt sich davon aber nicht weiter stören. Denn bei ihm
ist der Weg das Ziel, mit all den Kurven, Umleitungen und falschen Routen. Eine chaotische Odyssee. Aber eine äußerst unterhaltsame.
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