„Ich bin der Euro“ – für Wilfried Schmickler eine Horrorvorstellung, die er in seinem neuen Programm „Ich weiß es doch auch nicht“ in Worte fasst. Tief ist er gestürzt, von Markus Söder in den Abgrund gestoßen: Eine Höllenfahrt, die richtig Fahrt aufnimmt, als der arme Euro festgeschnallt auf einem Förderband einer satanischen Notenpresse entgegenrollt, ohne Hoffnung auf Rettung. Doch bevor alles aus ist, wacht Schmickler auf. War doch nur ein Alptraum. Oder?
Wortgewittrig wie eh und je reiht Schmickler im Bonner Pantheon ein deprimierendes Bild ans andere. Eigentlich ist doch eh schon alles aus: Die gemeinsame Währung am Boden, mit Füßen getreten von
den Heeren der Befürworter und Gegner des Euros, die sich in Grabenkämpfen mit Gutachten und Zahlenkolonnen dezimieren, während im Bundestag ein Haufen Ahnungsloser sitzt, der sich in endlosem
Geschwafel zu Rettungsmaßnahmen auslässt, die längst obsolet geworden sind. Dazu noch Rechtsradikale und Salafisten an jeder Ecke, auch ein paar V-Männer sollen gesichtet worden sein. Und der
moderne Mensch sitzt vor Computer und Fernseher, giert nach Skandalen und aufgebauschten Sensationen, nach Fünf-Minuten-Instant-Popstars und Mega-Events. Und mittendrin Weltuntergangsprediger
Schmickler.
Also eigentlich nichts neues. Bandwurmsätze, Aufzählungen, Reihungen, böse Politiker-Spitznamen (vor allem für FDP-Mitglieder), dazu wilde Schüsse in alle Richtungen. Eigentlich fehlt Schmickler
lediglich eine wilde Kriegsbemalung und ein Stirnband, statt eines Maschinengewehrs greift er ohnehin mit Worten an. Die sind meist tödlicher als Kugeln. Und vor allem schneller. Schneller im
Ziel und schneller vorbei. Denn sonderlich lange hält sich der sprachgewaltige Kabarettist nicht bei einem Thema auf, sieht man einmal von der Euro-Krise ab. Immerhin hat er eine Mission, so
viele Ziele und so wenig Zeit. Die Vergnügungssüchtigen, die Dauerfeuer-Schnappschussfotografen, die Talkshow-Sessel und die, die darin festgewachsen zu sein scheinen, Mutti Merkel und Bambi
Lindner, die Shitstorm-Soldaten der Piraten-Partei und die Chinesen, die ohnehin schon große Teile der Welt besitzen und jetzt ihre gierige Hand nach dem kleinen Deutschland ausstrecken – sie
alle muss Schmickler auf Teufel komm raus erwischen, erlegen und dann inhaltlich sezieren. Wenn auch nicht mit dem Skalpell, sondern mit der Kettensäge.
Natürlich greift Wilfried Schmickler auch wieder in seine Liederkiste, präsentiert exzellent konstruierte Texte zu leider eben jenen austauschbaren Dumpfbackenbeats aus der Konserve, die er mit
Blick auf die Popmusik pauschal in der Gosse verordnet. Zumindest hier hätte er ein Zeichen setzen, Lösungen anbieten können, die über seine satirischen Vorschläge zum Programmende hinausgehen:
Etwa als Mülltaucher von der gigantischen Lebensmittelverschwendung zu profitieren oder sich in den Bürgersprechstunden die Rentenbescheide beglaubigen zu lassen. Gute Ansätze. Vielleicht gibt es
ja doch noch einen Silberstreif in der schwarz gemalten Welt.
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