Lediglich eine Handvoll Leute haben es zur Premiere von „Exit Mundi“ in das Theater im Ballsaal geschafft. Doch wer will auch unmittelbar nach Karneval etwas vom Weltuntergang erfahren? Dystopien am Valentinstag sehen? Sich der Endlichkeit des Lebens bewusst werden? Und so muss das Ensemble vom Kölner a.tonal Theater ihre apokalyptische Collage vor fast leeren Bänken aufführen. Ein hartes, unverdientes Los. Denn trotz mancher Schwächen ist „Exit Mundi“ spannend, lehrreich und vor allem effektvoll in Szene gesetzt.
Schon der große Baum, der die Bühne dominiert, ist beachtlich. In dichten Nebel gehüllt, der die gesamte Halle füllt und für eine bedrückende Atmosphäre, zugleich aber auch für Atemnot im
Publikum sorgt (Erkälteten sei vom Besuch der Aufführung abgeraten), ist er als einziger für das Sichtfeld omnipräsent. Yggdrasil, der Weltenbaum. Um ihn herumwuselnd die drei Schauspieler Andrea
Köhler, Christine Stienemeier und Christof Hemming, die entweder im Chor oder sich abwechselnd pseudowissenschaftliche Texte des niederländischen Wissenschaftsjournalisten Maarten Keulemans
vortragen. Und genau da liegt ein Teil des Problems. Denn die sachliche Sprache schafft Distanz, erinnert eher an eine Show mit Ranga Yogeshwar und kann damit die Zuschauer nicht wirklich
aufwühlen. Egal, wie hart manche Wahrheiten wirken: „Aussterben ist normal“, sagen die drei. Und? Diese Aussage berührt nicht. Hat keine Wirkung, keine dramatische Funktion. Vielleicht bewusst:
Das Gefühl der Hysterie, das das a.tonal Theater anprangert, stellt sich so nicht ein. Aber eben auch keine Beziehung zum Gezeigten.
Das besteht aus Bildern potenzieller kataklysmischer Katastrophen mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgehalt: Ein Meteoriteneinschlag, ein vorbeiziehendes Schwarzes Loch, das Aussterben des
durch das Y-Chromosom definierten Mannes, verschiedene absurde Terror-Ideen (man kleistere den Mond mit Bauschaum zu und zwinge ihn so aus der Umlaufbahn) bis hin zu den religiösen Apokalypsen
und der Evolution der Menschheit zu einer lila Wolke. Leben in der Cloud. Alles Informationen, keine Emotionen. So wie stellenweise dieses Stück, das andererseits genau dann stark wird, wenn die
Schauspieler poetisch werden. Wenn etwa Andrea Köhler bei der Bedrohung durch das alles verschlingende Schwarze Loch Einsamkeit, Verzweiflung und Todessehnsucht hinausschreit. Oder wenn Christine
Stienemeier im Geschlechterkampf Kleists „Penthesilea“ zitiert. Herausragende Momente, von denen „Exit Mundi“ mehr vertragen hätte.
Trotz der im Stück vielfach herrschenden Sachlichkeit gibt es jedoch auch Elemente, die durchweg zu fesseln verstehen. Die Live-Musik etwa, die Valerij Lisac einspielt – und mehr noch das
grandiose Lichtdesign (Kerp Holz), das mit großen Strahlerbatterien in dem nebeldurchfluteten Raum die Schauspieler und ihre Szenarien immer wieder zu Schattenrissen reduziert. Zu flüchtigen
Phantomen. Und mit etwas Glück auch zu Hirngespinsten.
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