Eigentlich galt Quadro Nuevo immer als europäische Antwort auf den argentinischen Tango. So jedenfalls bezeichnet das Weltmusik-Quartett sich auf ihrer Homepage selbst. Ein Fehler, wie Klarinettist und Saxofonist Mulo Francel am Mittwoch beim ersten von zwei ausverkauften Harmonie-Konzerten zugab: Denn eine Antwort bedingt eine Frage, die aber in diesem Fall nie gestellt wurde. Schon gar nicht vom argentinischen Tango. Den die Multiinstrumentalisten zumindest in der Vergangenheit auch gar nicht richtig hätten spielen können.
Denn Andreas Hinterseher ist zwar ein herausragender Akkordeonspieler, besitzt jedoch keine Erfahrung mit dem Bandoneon Eine Beleidigung für den Tango, fanden immer wieder aufgeregte ältere
Damen, von denen Francel augenzwinkernd erzählte. Doch nun hat sich die Situation geändert, einem zweitägigen Workshop sei Dank. Ein klagend-verträumtes Bandoneon wartet auf seinen Einsatz,
Stücke von Astor Piazzolla sind einstudiert. Und im Hinterkopf melden sich mal wieder die genannten Damen zu Wort, die sich über Quadro Nuevo echauffieren. Tango mit Harfe und Klarinette? Das
geht doch nun wirklich nicht.
Und wie das geht. Gerade die ungewöhnliche Instrumentierung zeichnet Quadro Nuevo seit Jahren aus. Cajon, Hackbrett, Sansula oder Bouzouki, immer wieder setzten die Bandmitglieder auf neue Klänge
und perfektionieren, sofern das überhaupt noch notwendig ist, die alten. Mit Erfolg: 13 German Jazz Awards, den Echo Jazz 2010 und 2011, regelmäßige Top-Platzierungen in den deutschen World Music
Charts sprechen eine deutliche Sprache. Auch in Bonn zeigte Quadro Nuevo seine Qualitäten, spielte Stücke von der neuen, mit großem Orchester aufgenommenen CD „End of the Rainbow“ ebenso wie
Lieder, die für das Quartett so alltäglich sind wie Zähneputzen: Chansons, Arabesken, italienische Klassiker und Eigenkompositionen, die etwa an die Geschichte Parzifals nach Wolfram von
Eschenbach erinnern oder an die Wirtin eines kleinen Cafés in einem kleinen toskanischen Dorf, in das sich die Band einmal im Jahr zurückzieht, um sich vom Nomadendasein zu erholen.
Überhaupt war es das Bild eines Cafés, das die Atmosphäre an jenem Abend in der Harmonie einigermaßen treffend beschrieb, auch wenn es wohl eher eine gediegene, feine Lokalität wäre als das zuvor
erwähnte italienische Bistro. Kammermusik im Kafeehaus mit erstklassigen Instrumentalisten, die häufig ruhig und ein kleines bisschen verspielt wirkten – und dann kurzfristig mit Macht
aufflammten, die Bassklarinette zum Didgeridoo umfunktionierten, den Bass von D. D. Lowka mit Fäusten traktierten, Dissonanzen einbanden und im Falle von Evelyn Huber derart kraftvoll die Töne
aus den Harfensaiten peitschten, bis schließlich eine aufgab und riss. Ein geringer Preis für dieses energetische Aufbäumen, das die Vielseitigkeit von Quadro Nuevo eindrucksvoll unterstrich und
einen der Höhepunkte des Konzerts darstellte. Auch wenn es kein Tango war.
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