Da steht er also, mitten auf der Bühne, mit heruntergelassener Hose, und formt Figuren mit seinem Penis. Eine Schildkröte, einen Windsurfer, einen rauchenden Brillenträger. „Männer, das hat ja wohl jeder von euch schon mal gemacht“, ruft die hemmungslose Gestalt unter dem Applaus und dem Gelächter des Publikums. Es ist der Höhe- und der Mittelpunkt eines vierstündigen Programms, das der Anarcho-Comedian Kay Ray am vergangenen Donnerstag im Bonner Pantheon zelebriert hat, bei dem alle Hüllen und alle Tabus gefallen und sehr viele Lieder gesungen worden sind. Ein guter Abend? Das kommt auf Definition und Erwartungshaltung an. Auf jeden Fall ein ungewöhnlicher. Ein gewagter. Und ein mutiger.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Mit den so gerne angeführten Regeln des guten Geschmacks nimmt es das enfant terrible nicht sonderlich genau. Rülpsend, furzend, rauchend, saufend brüskiert er ganz
bewusst, durchwühlt Damen-Handtaschen, zerschmettert Gläser, schnappt sich fremde Oliven für eine Essensschlacht mit seinem Pianisten Falk Effenberger und verwirklicht einfach, worauf er gerade
Lust hat. Auf jeden Gedanken im Stil von „Das kann er doch nicht machen“ antwortet der 48-Jährige laut „Und ob“. Ohne Rücksicht auf Verluste. „Auf Tour bin ich immer noch ein Rock 'n' Roller“,
hat Kay einmal in einem Interview erzählt. Von wegen. „Wenn ich mir eins wünsche, dann dass die Regeln der Politik auf den Kopf gestellt würden. Ich hoffe, in der Unterhaltung ist mir dies
gelungen“, gesteht er kurz vor Mitternacht. Ist es. Doch das ist nicht Rock 'n' Roll. Das ist Punk.
Allerdings spiegelt sich diese Einstellung nicht in der Auswahl seiner Songs, von denen Kay Ray an diesem Abend viele singt. Keine Sex Pistols, keine Pogues, noch nicht einmal die vom Entertainer
so geschätzte Patti Smith. Stattdessen Reinhard Mey, Kate Bush, Robbie Williams und immer wieder Robert Long. Eine nette Mischung für das Partygeile Publikum, die allerdings zum Teil daran
leidet, dass Kay, nach mehrfach missglückten Strophen beim zweiten Lied des Abends, zunächst zu Wodka und Bier greift und damit zwar vielleicht die Nervosität abstellt, nicht aber den Gesang
verbessert. Zu oft presst er, wird zu laut, beginnt beinahe zu grölen – und hat das doch eigentlich gar nicht nötig. Denn gerade dann, wenn Kay sich nicht zu bemühen versucht, zeigt er seine
musikalischen Qualitäten: Statt einem übertrieben geschmetterten und damit getöteten „Piano Man“ kommt dann der gefühlvolle „Jos“, dem Kay mit seiner vielseitigen, knarzend-knatternden
Nina-Hagen-Stimme Leben einhaucht. Geht doch.
Vielleicht ist Kay Ray das aber auch egal. „Ich habe keine Ansprüche“, sagt er. Möglich. Doch zugleich mokiert er sich über schlechte Kritiken im Namen der Pressefreiheit und den Vorwurf des
Antisemitismus, der ihm des öfteren mal aus den Medien entgegengeschallt ist. Vom Missbrauch dieser Begriffe redet er und klingt dabei, auch wenn er zum Teil Recht haben mag, manchmal wie ein
beleidigtes Kind. Erneut ohne dies nötig zu haben. Denn die Begeisterung, die ihm aus dem Saal entgegenschlägt, beweist, dass Kay Ray mit seiner unkonventionellen Art vielleicht nicht die Herzen
aller Kritiker, aber die seiner Fans zu erobern vermag. Ob er nun mit dem Kellner flirtet, scharfe Sprüche in Richtung des Publikums loslässt oder quer durch den Saal über die Tische tanzt – die
Stimmung ist selbst nach vier Stunden hartem Humor exzellent. „Für mich ist jeder Abend eine Party“, sagt Kay. Im Pantheon hat sich dies auf jeden Fall bewahrheitet.
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