Timo Wopp ist ein Durchstarter und Durchblicker, ein Berater der oberen Zehntausend und ein Erlöser für die ungewaschenen Massen. Erfolg hat, wer ihm nachfolgt, seine Lebenshilfe-Sprüche anwendet und selbst zum arrogant-egoistischen Mistkerl wird. „Asoziale Kompetenz“ nennt Wopp das in seinem umfassenden Seminar, das er, wahrscheinlich aus Steuergründen, als Kabarett-Programm getarnt und einzig aus diesem Grund ins Bonner Pantheon verlegt hat.
Es geht um essentielle Vorgehensweisen, die einen zwar unbeliebt, aber effizient machen: Zum Beispiel an einer langen Schlange vorbeizugehen, vorne zu bezahlen und erst dann unschuldig zu fragen,
ob auch die anderen anstehen. Gepaart mit anderen Weisheiten („Gewalt ist nur dann keine Lösung, wenn man sie nicht anwendet“) gibt der 36-Jährige seinen potenziellen Jüngern so das nötige
Rüstzeug in die Hand, um sich zu „improven“ und so zu werden wie er selbst. Und um damit die eigene Weltsicht zu verändern. Denn „Niveau wirkt nur von unten wie Arroganz“.
Hintersinnig parodiert Timo Wopp die Einstellungen einer Gesellschaft, der fast alles egal ist, in der jede Meinung so beliebig sein muss, „dass man sie jederzeit mit einem Gefällt-Mir-Klick
ausdrücken kann“, und in der die Form über den Inhalt triumphiert, wie Politik und Werbung täglich beweisen. Selbst Kinder werden bei vielen zu Statussymbolen, ihre Zukunft bereits in frühen
Jahren mit überfrachteten Lehrplänen definiert, in denen sich noch 20 Minuten pro Woche zum freien Spielen finden. Man muss die Kleinen formen, so lange die Knochen noch weich sind, erklärt Wopp.
Denn der Kulturkampf entscheidet sich bereits auf dem Spielplatz, multi- gegen semilingual. Auch wenn noch nicht ganz klar ist, ob letztlich die Stärkeren oder die Schlaueren überleben.
Doch aus irgendeinem Grund hat es Timo Wopp mit seinen Dauerprovokationen und seinem satirisch überspitzten Egozentrismus beim Pantheon-Publikum schwer. Kollektiver Szenenapplaus scheint verpönt,
auch die Lacher changieren erstaunlich lange zwischen Empörung und Belustigung, so als ob die Metaebene, auf der Wopp einen scheinbar inhaltsleeren Spruch nach dem anderen herausschmettert und
damit letztlich ein komplettes System ad absurdum führt, nicht erfassbar ist. Nichts scheint zu greifen – selbst die beeindruckenden Jonglage-Künste des gebürtigen Oldenburgers zeigen beim
Publikum kaum Wirkung. Und da Wurfgnome und Randgruppenwitze durch das Antidiskriminierungsgesetz verboten sind und Technik-Assi Henning auf die Angriffe seines Chefs mit Schweigen reagiert, muss
dieser zu härteren und zugleich peinlicheren Bandagen greifen. Nämlich zum Elefantenkostüm. Sich mit überdrehtem Klamauk der Lächerlichkeit preisgebend bietet Wopp noch einmal all seine Talente
auf, tanzt über die Bühne, wirft Bälle, Keulen und schließlich sogar Bowlingkugeln in die Höhe, macht sich zum Affen, weil Zynismus und Satire nicht die gewünschte Wirkung erzielen – und erhält
endlich den verdienten Jubel des Publikums. Der gewünschte Erlöser ist jetzt ein Clown. Das sollte zu denken geben.
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