Tanzen als akrobatischer Kampf und zugleich selbstbewusster Ausdruck der Freiheit: Die beeindruckende, Klassik-Echo-prämierte Show „Red Bull Flying Bach“ der Berliner Urban-Dance-Crew „Flying Steps“ bringt beides zusammen und überbrückt zugleich die Grenzen zwischen klassischem Ballett, barocker Musik und modernem Breakdance. Auf Einladung von Rita Baus und dem Pantheon waren die B-Boys (samt B-Girl) nun in der Bonner Oper zu Gast und präsentierten von vollem Haus ihre tänzerische Interpretation von Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“.
Die bis ins Detail durchchoreographierte Show erzählt die Geschichte einer Ballerina (Yui Kawaguchi), die von den wild-energetischen Bewegungen der Breakdancer fasziniert ist, mitmachen will und
es schließlich auch darf, nur um dann bei einem Streit von ihrem Bühnenpartner eine Ohrfeige zu kassieren. Der Tanz, zuvor Ausdruck der Leidenschaft, wird nun zum Symbol des Leidens: Immer wieder
spürt die Ballerina den Schmerz, die Ablehnung dieser von Männern dominierten Straßenszene mit ihren Ritualen, die im Breakdance kulminieren. Hier ist Tanzen Selbstbehauptung, Demonstration von
Stärke, Coolness und Rebellentum. Kung-Fu-Elemente werden zu spektakulären Powermoves, impulsive Bewegungen zu fast schon mechanisch wirkenden Poppings – und die geforderten barocken
Menuett-Schritte im Rücken des strengen Meisters (Lil Rock) zu aufmüpfigen Hip-Hop-Moves. In dieser Welt muss die Ballerina sich zurecht finden und ihren Schmerz überwinden, was ihr auch
zunehmend gelingt, nicht zuletzt dank der anderen Breakdancer, die in teils herrlich skurrilen Szenen um die hübsche Tänzerin werben.
Über all dem erklingen Bach-Fugen, Präludien und Menuett-Ansätze, teils live von Piano oder Cembalo gespielt, teils aber auch mit fetten Beats über die Boxen geschickt. Klassik-Puristen mögen
jetzt mit den Augen rollen – doch die Modernisierung der Barock-Melodien klingt hervorragend, frisch und ekstatisch. Nur an wenigen Stellen haben es die Brüder Ketan und Vivan Bhatti mit ihren
elektronischen Einflüssen etwas übertrieben, leider auch im viel zu lauten Toccata-Finale, bei dem sie ausgerechnet auf die virtuose Melodieführung der sich anschließenden Fuge verzichtet haben.
Für die Tänzer der Flying Steps aber ohnehin nicht sonderlich relevant: Ob Klassik oder Hip-Hop, sie tanzen zu allem. Absolut präzise setzen sie die fast 300 Jahre alten musikalischen Ideen in
Bewegung um, nutzen Sechzehntelläufe zu Headspins und sorgen mit Blowup-mäßigen Aneinanderreihungen von Powermoves immer wieder für begeisterten Zwischenapplaus. Am Ende, nach etwa 75 Minuten
fantastischer Tanz-Performance, gibt es daher auch die berechtigten stehenden Ovationen.
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