Für manche Menschen ist Ästhetik harte Arbeit. Und eine Einstellungssache. „Das Ruhrgebiet schön finden, das muss man wollen“, sagt Frank Goosen im Pantheon. Der Kabarettist weiß, wovon er redet: Im Pott geboren, im Pott geblieben und wahrscheinlich für den Rest seines Lebens im Pott überdauern werdend ist er mehr als willig, ist leidenschaftlicher Verteidiger und Botschafter einer mit vielen Vorurteilen (von denen laut Goosen die meisten wahr sind) belasteten Region im Herzen Deutschlands. Nun klärt Goosen auf.
„Wir sind Sprücheklopfer mit einer kräftig-derben Sprache. Nicht immer höflich, aber dafür sehr direkt“, sagt er – ein Idiom, das er zu Hause mit Händen und Füßen gegen das Hochdeutsch seiner
Frau verteidigen muss, um es seinen Söhnen vererben zu können. „Gib ma Wurst“, so heißt das! Fordern statt konjunktivisch fragen. Tatsachen schaffen statt Möglichkeiten eröffnen.
Dabei ist auch im Pott vieles möglich. Etwa das der VfL Bochum mit 4:0 führt und doch noch verliert. „Wer Fan sein will, muss leiden“, propagiert Goosen, und einige angereiste Kölner nicken
zustimmend. Er selbst muss viel gelitten haben, seit er 1976 das Jahrhundertspiel gegen Bayern München sah, von dem er natürlich an dem Abend im Pantheon auch vorlas. Doch den Enthusiasmus für
seinen Verein hat dies nur gestärkt – seit 2010 ist der Autor stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. „Bei uns besteht die Doppelhelix inzwischen aus Leder“ behauptet er. Genetisch bedingte
Fußballbegeisterung also. Und eine damit verbundene Mischung aus Kampfgeist (wenn der VfL hinten liegt) und Pessimismus (wenn er führt). „Das wichtigste Wort für einen VfL-Fan ist 'trotzdem'“,
bekennt Goosen.
Neben seiner Stadion-Sozialisation gewährt der 47-Jährige weitere Einblicke in seine Kindheit und Jugend, erzählt von seinem ersten Berufswunsch (Hustinenten-Bär), seinen Freunden Spüli, Pommes
und Mücke, seinem Gitarrenspiel für die damals angebetete Claudia, während diese sich in seiner Badewanne räkelte (was Goosen bis heute sehr beschäftigt) – er offenbart sogar seine kurze, aber
intensive Chris-de-Burgh-Phase, aus der ihm, dem eigentlich überzeugten Rock-Fan, bis heute noch alle Texte im Gedächtnis geblieben sind. Mit viel Witz und Charme zeichnet der Ex-Tresenleser,
dessen Zusammenarbeit mit Jochen Malmsheimer in so einigen Beschreibungen von Tanten, Kitteln und Lebensweisen durchscheint, ein Milieu zwischen Schrebergarten und Kneipe, in dem Laberfürsten
herumschleichen, nach dem Weg fragende Ortsfremde überzeugend zum richtigen Ziel gelotst und werden und Bekannte auf das honorige „Arschloch“ bestehen. Pott-Humor eben. Genau den greift Goosen
auf, vermengt ihn mit dem Stil seiner großen Vorbilder Fips Asmussen, Diddi Hallervorden, Otto Waalkes und der eigenen Omma und präsentiert das Ergebnis schließlich so wunderbar unbefangen, dass
das Publikum am Ende tosenden Applaus spendet.
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