„Come fly with me“, trällert Adrienne Haan, und das Publikum in der PostTower Lounge folgt dieser Aufforderung gerne. Auf zu einem Rundflug durch das Great American Songbook, durch blaue Himmel Richtung Mond und zurück – wer kann da schon Nein sagen. Zumal die bezaubernde Bonner Sängerin, die im Rahmen des Beethovenfests bereits im vergangenen Jahr begeisterte, mit ihrer „little big band“ (Klavier, Saxofon, Bass, Schlagzeug) von Anfang an fröhlich losswingt. Doch ihr Auftritt ist mehr als nur ein Jazz-Liederabend: Es ist eine Show, samt Kostümwechsel, gelegentlichen Ausflügen ins Publikum, dem koketten Umgarnen von Gästen und jeder Menge Pathos.
Vor allem letzteres wird schon zu Beginn deutlich: Ausgerechnet zu dem opulenten „Also sprach Zaratustra“ betritt Adrienne Haan die Bühne, geht dann aber doch lieber zu Songs wie „Blue Skies“
oder dem mit viel Vibrato gesungenen „All the things you are“ über. Dazu immer wieder große Diven-Gesten, etwa bei Kurt Weills „I am a stranger here myself“ – verständlich, immerhin sollte
ursprünglich Marlene Dietrich höchstpersönlich die Hauptrolle in dem Musical „One Touch of Venus“ und damit dieses Lied übernehmen. War ihr aber zu profan. Nicht so Adrienne Haan, die das Stück
mit einem genussvollen Augenzwinkern darbietet. Ähnliches gilt auch für Cole Porters „Trouble“ und Alan Menkens „Growing Boy“, bei dem sie bewusst lasziv Männer verführt, einen von ihnen gar als
mutiges Opfer auf die Bühne holt. Heiß.
So unterhaltsam die Show in diesen Momenten auch ist, wird sie im Ausdruck sogar noch stärker, wenn alle Schauspielerei reduziert wird. Wunderschön etwa „All or nothing at all“, das Drummer Ralf
Gessler und Bassist Markus Braun mit einem leichten Latin-Rhythmus unterlegen. Oder auch das kraftvolle „Mama, he treats your daughter mean“ von R&B-Queen Ruth Brown, bei dem Haan richtig
aufdreht und zeigt, dass hinter der Jazz-Sängerin auch eine Rockröhre schlummert. Ein erfrischender Wechsel, der auch der exzellenten Band Spaß zu machen scheint: Neben Gessler und Braun legt
sich Holger Werner am Saxofon und an der Klarinette ins Zeug, während die Kölner Pianistin Laia Genc, die derzeit auch vom Cover der Zeitschrift Jazzthetik lächelt, virtuos über die Tasten jagt
und bei Jerome Kern oder Cole Porter ebenso brilliert wie bei Frédeéric Chopin, dessen Polonaise héroïque die Grundlage für das der Show den Titel gebende „Till the End of Time“ bildet.
Nach fast zwei Stunden Höhenflug voller Swing, Verführung und Leidenschaft wird es schließlich Zeit zur Landung. Insgesamt drei Zugaben kann sich das begeisterte Publikum noch erklatschen, in
denen Adrienne Haan erneut Gas gibt, in einem Medley zahlreiche Jazz-Standards unterbringt und in einer Nummer aus dem Musical „The Best Little Whorehouse in Texas“ noch einmal mit jeder Menge
Energie die femme fatale spielt. Dann der Schlusstakt – und das Versprechen von Adrienne Haan, wiederzukommen. Vielleicht schon im kommenden Jahr.
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