Das Publikum ist heute im Fernsehen. Also bitte lächeln, jubeln, applaudieren. Zur Sicherheit noch ein paar Mal üben, falls es doch noch Leute gibt, die so etwas noch nie zuvor gemacht haben. Dann Vorhang auf – und los geht’s mit der neuesten Ausgabe des Varietéspektakels, das nach seiner Premiere im Kölner Senftöpfchen nun für zwei Wochen im Pantheon zu Gast ist. Die „Show Télévisé“ entführt die Besucher in die Welt hinter der Mattscheibe und zugleich in eine Ära, als Twix noch Raider hieß, Fernsehserien wie „Dallas“ Millionen fesselte und die Mode neue Dimensionen der Peinlichkeit erreichte.
In diesem vielschichtigen Kosmos voller nostalgischer Erinnerungen und peinlicher Offenbarungen, von Stephan Masur als überdrehter Quizmaster und teilweise zu bemühter Moderator präsentiert,
zeigen wie in jedem Jahr junge Artisten ihr Können. So sorgt der Japaner Maro Kurita mit zwei exzellent choreographierten, in ihren Formen an Karate und Kendo angelehnten Jonglagen für
Begeisterung, auch wenn sich hier und da kleine Fehler eingeschlichen haben. Vielleicht einfach nur Nervosität. Souveräner, aber irgendwie auch spannungsärmer wirkt da schon Sebastian Kann, der
einmal an einem frei schwebenden Ring und einmal in einem Netz über dem Zuschauerraum seine Luftartistik darbietet und ebenso wie Maxime Yelle am Seil für die hochfliegenden Zirkusmomente
zuständig ist.
Der große A-ha-Effekt kommt jedoch bei den kleineren Nummern zum Tragen. Höhepunkt der ersten Hälfte ist die bezaubernde Fußjonglage von Ulrike Storch, die zwar mit ihrem Schirm und ihrem Outfit
noch einmal 60 Jahre zurückgeht (extrem konstruiert: „Die 80er waren ebenso wild wie die 20er“), ihre Nummer aber dermaßen charmant und unangestrengt präsentiert, dass es eine Freude ist. Ähnlich
ist es am Ende der Show: Der Schotte Donald Grant wirbelt sein Diabolo mit beeindruckender Technik und einem kecken Lächeln auf den Lippen um seinen Körper herum und strahlt dabei eine Ruhe aus,
die selbst die schwierigsten Nummern einfach aussehen lässt.
Leider zieht sich dieses hohe Niveau nicht durchgehend durch das Programm. So wirken die immer wiederkehrenden Spielchen mit dem Publikum einfach übertrieben, fast schon peinlich, sieht man
einmal von dem doch recht mitreißenden Filmmelodie-Quiz ab. Tiefpunkt des ganzen ist der Versuch von Masur und seiner bezaubernden Assistentin Charlotte de la Beteque, zwei Personen aus dem
Publikum zum „Dirty Dancing“ zu animieren: Gerade im Rahmen einer Akrobatik-Show, die die Grenze zum Trash zwar immer wieder tangiert, aber nicht konsequent überschreitet, wirkt dieser
Mitmach-Zirkus fehl am Platze. Auch die Gesangsnummern von Gerrit Hericks und die dazugehörigen Choreographien des „Fernsehballetts“ können nicht wirklich überzeugen – sie sind zwar ganz nett,
der Funke springt aber nicht über. Das ist aber vielleicht auch der Song-Auswahl geschuldet: Gerade „Take on me“ und „Here comes the rain again“ sind Stücke, die mehr als nur eine ausgebildete
Stimme erfordern.
Insgesamt ist das diesjährige Varietéspektakel dennoch sehenswert – nicht ganz so rund wie „Le Voyage“ im vergangenen Jahr, mit mehr Ecken und Kanten, aber trotzdem eine schöne Abwechslung zum
sonst üblichen Kabarettprogramm.
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