Es soll Menschen geben, die den Blues im Blut haben. Und zwar im negativen Sinne. Die Betroffenen wären demnach schwermütig, traurig, depressiv. Ein Zustand, den Albie Donnelly bei einem Supercharge-Konzert abschaffen möchte. In der Harmonie bläst und singt der Saxofonist mit seiner Band dagegen an, übernimmt selbst den (Rhythm and)-Blues-Part und gibt dem Publikum die gute Laune zurück. Das hat schon früher bestens funktioniert: In den 80ern spielte Supercharge (damals in einer Kollaboration mit der Liverpooler Band Juke) unter anderem auf der Hochzeit von Tina Onassis sowie auf Partys von Gunter Sachs und Adnan Khashoggi. Musik für die Superreichen. Und jetzt eben für die Harmonie-Besucher.
Druck- und schwungvoll sorgt die siebenköpfige Band für Stimmung. Uwe Petersen (Drums) und Wolfgang Diekmann (Bass) sorgen für eine solide Grundlage, auf der die Bläsersektion losschmettern kann
– neben dem oft singenden Donnelly übernehmen das vor allem Bariton-Saxofonist Jürgen Wieching und Posaunist Mike Rafakcyk, die ab und zu kurze Soli zum Besten geben dürfen. Gleiches gilt für den
exzellenten Keyboarder Sascha Kühn, der auch für Birth Control in die Tasten greifen darf. Und dann ist da noch die Haupt-Rampensau: Gitarrist Roy Herrington, der mit seinem Saitenspiel ein ums
andere Mal Jubel aufbranden lässt. Donnelly lässt ihn gewähren, geht sogar zweimal mit seinen Bläserkollegen von der Bühne, während Herrington richtig aufdreht, von links nach rechts und
schließlich ins Publikum hüpft, dort auf Stehtische klettert oder sein Instrument hinter seinem Rücken bearbeitet und bei „Sweet Home Chicago“ aus Zuhörern Mitsänger macht.
Abseits dieser eher rockenden Nummern gibt Donnelly den Ton an: Mit kraftvollem Organ singt er vom „Gangster of Love“ und der „Whiskey-drinking woman“, auch vor James Browns „Cold Sweat“ macht er
keinen Halt. Dabei kann Supercharge noch mehr als nur klassischen Rhythm and Blues: Zu Beginn der zweiten Konzerthälfte kommen leichte Latin-Anklänge auf, auch eine Funk-Nummer, bei der sich
Diekmann einmal richtig austoben kann, ist im Programm. Jeder bekommt mal Solo-Einsätze – nur Donnelly hält sich auffällig zurück, zeigt fast ausschließlich in kurzen Einwürfen, was er alles aus
seinem Saxofon rauszuholen vermag, und kann ausgerechnet in einem längeren Solo nur bedingt überzeugen. Egal: Insgesamt hat das Konzert der Supercharger auf jeden Fall zu begeistern gewusst. Das
Publikum ist aufgeladen, feiert die Formation frenetisch, fordert Zugaben ein. Der niederschmetternde Blues, sollte ihn denn tatsächlich jemand gehabt haben, ist längst verschwunden. Gut
gemacht.
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