„Oh yeah“, jauchzt, nein, stöhnt Eric Gales, so als ob jeder einzelne Ton, den er seiner Gitarre entlockt, für ihn die absolute Erfüllung ist, die Melodie ein wahr gewordener Traum, das musikalische Äquivalent eines Orgasmus. Und der „Raw Dawg“ aus Memphis, der hier auf der Bühne der Harmonie steht, ist ganz tief drin, versunken in seinem Solo, die erogenen Zonen des Liedes erspürend. Längst hat er den Joe-Bonamassa-Bassisten Eric Czar verstummen lassen, auch Drummer TC Tolliver lässt die Sticks ruhen. Dieser Moment gehört Gales allein. Ihm und seinen Saiten.
Während des Konzerts spielt Gales sich mehrfach in so einen Rausch. Doch nicht immer scheint das Publikum ihm folgen zu können oder zu wollen. So stimmt er unter großem Jubel „Don't fear the
Reaper“ an, wandert dann aber auf derart seltsamen, verzerrten Pfaden, dass er einige fragende Blicke erntet und sich kurz darauf relativieren muss. „War doch nur Spaß“, ruft er – und lässt es
als Ausgleich richtig krachen. Darauf versteht sich der 39-Jährige, der schon früh als Wunderkind gehandelt wurde, nämlich hervorragend. Dann malträtiert er seine Gitarre, hämmert harte Riffs
raus, nur um kurz darauf wieder ruhiger zu werden, nachdenklich, zärtlich. Bei dem seinem schon mit Howling Wolf spielenden Großvater gewidmeten Blues greift er auch zu einer Slide-Bar, bei „You
block the sun“ lässt er sich gesanglich von seiner Frau LaDonna unterstützen. Sie, so bekräftigt er, sei sei das beste, was ihm zuletzt passiert sei. Und verweist mit einem kryptischen „Jetzt ist
alles OK“ auf seine Vergangenheit: Auf seine Drogensucht, auf die Zeit im Gefängnis. Und auf seine musikalische Wiederauferstehung.
Gales weiß, dass er eine zweite Chance erhalten hat und diese nutzen muss. „Ich bin euch allen so dankbar, dass ihr an einem Sonntag zu mir gekommen seid“, sagt er zum Publikum. „Wir versprechen
euch, wir werden alles geben.“ Stimmt. Und das, ohne zu bemüht zu wirken. Tatsächlich spielt Gales in weiten Teilen sehr befreit auf, lässt sich von den treibenden Drums Tollivers und dem
herrlichen Fretless-Bass Czars, die leider nur ein einziges Mal Raum für ein längeres Solo bekommen, in neue Sphären tragen und zeigt vor allem bei Cover-Versionen der ganz großen Hendrix-Hits
seine Qualitäten. Wer sonst würde „Für Elise“ in „Purple Haze“ einbauen, wer den Basslauf von Led Zeppelins „Kashmir“ mit „Voodoo Chile“ kreuzen? Und dass so gekonnt, dass er seinem großen Idol
in den besten Momenten ganz nahe ist? „Ich hätte eigentlich auf einem viel höheren Level sein können“, hat Gales mal in einem Interview über seine Drogenzeit gesagt. Jetzt lässt er Worten Taten
folgen. Und die sind mehr als eindrucksvoll.
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