Wenn er ehrlich ist, hat er von der ganzen Meckerei die Nase voll. Aber selbst Heinz Becker kann seine Natur nicht verleugnen. Selbst wenn er das wollte. Und so kommentiert der wohl berühmteste Batschkapp-Träger Deutschlands im Pantheon, in seinem typischen saarländischen Dialekt resigniert nörgelnd, Belanglosigkeiten und Weltpolitik gleichermaßen. Schnell wird eins klar: Der Mann hat keine Ahnung. Davon aber jede Menge. Und zugleich so viel Hintersinn in den grauen Zellen unter der brauen Mütze, dass kaum etwas so ist, wie es scheint.
Seit über 30 Jahren bringt Gerd Dudenhöffer mit seiner Kunstfigur das Stammtisch-Niveau auf die Kabarett-Bühne. Der Becker-Heinz ist ein Spießer und Besserwisser, der vergangenen Zeiten
hinterhertrauert, als die Kirche Sonntags noch um 8 Uhr begann („da war der Übergang zum Frühschoppen noch besser geregelt“), man überhaupt keine Zeit für Stress hatte und ein Bauantrag noch mit
einer Flasche Cognac beschleunigt werden konnte (was beim Berliner Flughafen heutzutage sehr helfen würde). Ach ja, das waren noch Zeiten. Heute dagegen geht es oft um Summen mit so vielen
Nullen, „da fallen die Politiker gar net uff“. Statt zu arbeiten leiden die Deutschen (laut Becker vor allem die Frauen) lieber an den drei neuen Volkskrankheiten Sexismus, Multitasking und
Burnout. Und in die Kirche geht ja eh keiner mehr, außer den Messdienern. Wenn doch, wird man mit dem Klingelbeutel dazu aufgefordert, für wohltuende Zwecke zu spenden. In Limburg können die
davon ein Liedchen singen. Oder auch zwei.
Doch hinter der polemischen Fassade des Dummschwätzers verbirgt sich auch im neuen Programm „Die Welt rückt näher“ ein Meister der Doppeldeutigkeiten: Ein scharfzüngiger Satiriker, der ganz
bewusst das Zerr- oder Spiegelbild (hier treffen Optimismus und Realismus aufeinander) jener zeigt, die immer noch in ihren konservativen Denkmustern feststecken und mehr auf das Geschwätz ihrer
Saufkumpane vertrauen als auf den gesunden Menschenverstand. So ist es kein Wunder, dass Dudenhöffers Becker auch die Tabu-Themen aufgreift und dabei von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt.
Nicht immer zielsicher, manchmal eher wie ein Elefant im Porzellanladen, aber so kennt man ihn ja. Wenn er von den schwarzen Billigarbeitern – pardon: billigen Schwarzarbeitern – spricht, eine
Endlösung für Pädophile ins Gespräch bringt oder davon träumt, mit der Entschädigung für einen potenziellen Missbrauchs seines Sohns Stefan während dessen Messdiener-Zeit den Balkonumbau zu
finanzieren, ist im Saal ungläubiges Schlucken zu vernehmen. Hat der das gerade wirklich gesagt? Ja, hat er – nur um direkt im Anschluss einen Kalauer hinterherzuschieben, Lacher zu ernten und
die provokanten Äußerungen in den Hintergrund zu drängen. Zuckerbrot und Peitsche.
Ein ums andere Mal greift Heinz Becker in seinen schier unerschöpflichen Vorrat an Weisheiten, Wortverdrehern und inhaltsleeren Phrasen, um sie mit seinem Publikum zu teilen. „Ihr müsst besser
zuhören“, fordert er von seinem Stuhl aus, auf dem er wie eh und je hockt. Und es dann anders machen, lautet die ungesagte Botschaft. Nicht alles gedankenlos aufnehmen und als wahr akzeptieren.
Nicht einfach zustimmend „genau“ in Richtung Bühne rufen, was sich einige dann doch nicht verkneifen können. Sondern die Aussagen hinterfragen und zum Becker-Heinz auf Distanz gehen. Das wäre mal
ein Schritt. Denn seine Stammtisch-Parolen, derer gibt es schon viel zu viele.
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