Es ist ein nostalgischer Blick zurück, und in Katja Ebsteins Stimme schleicht sich prompt der typisch kindliche, knötternde Tonfall, mit dem zahllose Eltern die Aufmerksamkeit ihres Nachwuchses zu fesseln versuchen. Zurück, das heißt für die Sängerin, die mit ihrem Weihnachtsprogramm „Es fällt ein Stern herunter“ im Pantheon ist, eine Reise in jene Zeit, in der am Heiligabend der Kaminofen bollerte, echte Kerzen die große, möglichst selbst geschlagene Nordmann-Tanne illuminierten und vor der feierlichen Bescherung Lieder und Geschichten ihren festen Platz hatten. Keine Hektik, sondern Besinnlichkeit. Nur mit Substanz: Der Mensch soll sich darauf besinnen, gütiger zu werden, das ist Ebsteins Ansatz. Eben jenes Gefühl will die 68-Jährige nun auch vermitteln. Da ist kein Platz für „Theater“ oder „Wunder gibt es immer wieder“ (obwohl letzteres durchaus zum Thema gepasst hätte) – ebenso wenig jedoch für den hinlänglich bekannten unreflektierten Sermon vieler traditionellerer Weihnachtsfeiern.
Stattdessen greift Katja Ebstein zu den großen Satirikern des 20. Jahrhunderts, trägt exzellente Texte von Robert Gernhardt, Loriot, Hanns Dieter Hüsch oder Erich Kästner vor und wird so zur
alternativen Märchentante, bei der unter anderem eine Panzerfabrik zur Marzipankartoffelfertigung genutzt und dem Gelegenheitskirchgänger so manche Gepflogenheit während einer Messe nahegebracht
wird. Das macht sie durchaus charmant, mit expressivem, manchmal fast schon übertriebenem Duktus – und im Falle von zwei kleinen Legendchen des Österreichers Karl Heinrich Waggerl eben in dem
bereits erwähnten kindhaften, nur bedingt irritierenden Stil.
Daneben präsentiert sich Katja Ebstein weiterhin als Sängerin. Ihre einst glockenreine Stimme hat inzwischen zwar einen deutlich raueren Ton angenommen, erinnert in manchen Momenten gar an das
charismatische Kratzorgan Nina Hagens, kann mit den richtigen Liedern aber weiterhin fesseln. Ob es die deutsche Version von „Morning has broken“ ist oder das auf dem jiddischen „Vaise stern“
basierende „Unter deinen weißen Sternen“, der Gesang lässt aufhorchen, nur „Maria durch ein Dornwald ging“ fehlt es an Klang. Dafür ist zum Teil aber auch Pianist René Randrianarisoa
verantwortlich, der weitgehend lust- und phantasielos über die Tasten huscht und so zu Ebsteins Stimme keinerlei Position bezieht, sie weder ergänzt noch ihr etwas entgegensetzt. Dadurch wird
einiges an Potenzial verschleudert, zumal Ebstein, um ihren Alt voll zur Entfaltung zu bringen und mit Klangfarben zu spielen, inzwischen eben auf ihren Begleitmusiker angewiesen ist.
So unterhaltsam die vorgetragenen Lieder und Geschichten auch sind, so ernst sind einige von ihnen doch zugleich. Wenn Jesus als Leitfigur des internationalen Terrorismus, Initiator einer
Hungerdemonstration und einer Volkserhebung gegen harmlose Geschäftsleute und Bänker festgenommen wird, mag das zum Schmunzeln anregen, zum Nachdenken aber auch. Ebenso nutzt Katja Ebstein ihre
beiden jiddischen Beiträge, um der Opfer der NS-Zeit zu gedenken. Den Höhepunkt setzt sie jedoch mit Guntram Paulis alternativem Text zu „Stille Nacht“, eindringlichen, aufwühlenden, von Krieg
und Tod beeinflussten Zeilen, die viel häufiger zu Gehör gebracht werden müssten. Schon allein für diese Darbietung hat Katja Ebstein den herzlichen Applaus des Pantheon-Publikums zu Recht
verdient.
Kommentar schreiben