Feuerspucker, Akrobaten, Puppenspieler und jede Menge Tiere: Für Jonathan Doves moderne Familienoper „Pinocchioas Abenteuer“, die bereits in Leeds, London, Minnesota, Chemnitz und Moskau für Furore sorgte, hat die Oper Bonn bei der Premiere am vergangenen Sonntag einen riesigen bunten Circus auf die Bühne gebracht, einen fantastischen Reigen, der eine kontinuierliche Veränderung fordert.
Alleine im Hintergrund sind 14 Personen im Dauereinsatz, öffnen oder schließen Falltüren, lassen Banner und Dächer herab oder bringen im Minutentakt neue Requisiten ins Zentrum des Geschehens.
Ein Augenschmaus in Holz, für den Bühnenbildner Francis O'Connor zu danken ist, ebenso wie für die herrlichen Kostüme der Darsteller. Allen voran begeistert natürlich Pinocchio selbst, die kleine
hölzerne Puppe, die ein echter Junge werden möchte: Fein gemasert und mit exzellenter Maske vor dem Gesicht, künstlich und doch lebendig. Susanne Blattert gibt den Pinocchio mit feinem,
dramatischem Mezzosopran und exzellenter Körpersprache, überzeugend von dem Moment an, als Holzschnitzer Geppetto (großartig: Boris Beletzskiy mit warmem Bariton) die Figur zu bombastischer Musik
aus einem Holzscheit befreit.
Jonathan Dove hat für seine Version des Collodi-Märchens komplexe Klänge zu Papier gebracht, zahlreiche lautmalerische Elemente miteinander verwoben, sich dabei bei Komponisten wie Ravel,
Strawinsky und vor allem Prokofiev bedienend. Für Liebhaber klassischer Opern ein Wagnis. Aber eines, das sich lohnt. Schön vor allem die Koordination von Bühnengeschehen und Musik: Wenn etwa
Geppetto mit seinen Werkzeugen arbeitet, sollen seine hämmernden Bewegungen mit den klackernden Cleves synchron sein, vergleichbare Motive ziehen sich durch die gesamte Partitur. Eine
Herausforderung für das Beethoven Orchester, die dieses unter der Leitung von Johannes Pell aber bravourös meistert. Ebenfalls ein Lob verdient an dieser Stelle der Chor des Theater Bonn sowie
die herausragenden Tänzer.
Unter der Regie von Martin Duncan nimmt die farbenprächtige, opulente Oper so von der ersten Sekunde an Fahrt auf, erzählt die Abenteuer und Dummheiten von Pinocchio mit viel Witz und Liebe zum
Detail, dem Original von Carlo Colloni dabei näher als dem berühmten Disney-Zeichentrickfilm. Die zentralen Figuren sind natürlich mit von der Partie: Die blaue Fee (Judith Kühn), der zur Reise
ins Spaßland verführende Lampwick (Tamás Tarjányi) oder das hinterhältige, herrlich schräge Duo Fuchs (exzellenter Countertenor: Jakob Huppmann) und Kater (schön sonor: Taras Ivaniv). Sie alle
halten gegen das Orchester stand – was etwa Alexey Smirnov nur partiell gelingt. Sowohl als Affenrichter als auch als Stimme der Riesenpuppe, die den Großen Grünen Fischersmann darstellt, ist er
nur schwer zu verstehen.
Trotz der beeindruckenden Optik und der guten Sänger zeigen sich in „Pinocchios Abenteuer“ auch leichte Schwächen, vor allem mit Blick auf die Handlung, die an einigen Stellen doch etwas
langatmig wird. Die repetitive Textgestaltung, der Fokus auf Kleinigkeiten (etwa das Schulbuch für Pinocchio) und das deutlich herausgestellte oberlehrerhafte Verhalten mancher Figuren wirkt
gelegentlich irritierend, auch wenn es der Vorlage geschuldet ist. Dennoch lohnt sich ein Besuch der Oper. Allein schon der Optik wegen.
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