Was für ein beachtliches Durchhaltevermögen: Seit nunmehr 65 Jahren steht Chris Barber an der Spitze seiner Bigbands, zelebriert traditionellen Swing und Dixie und zeigt sich dabei erstaunlich gut in Form. Gut, sein Gang ist nicht mehr ganz so sicher wie früher, ebenso wie seine mittlerweile beinahe unverständlichen Anmoderationen – aber sobald der 83-Jährige zu seiner Posaune greift, wirkt er gleich um gut zwei Jahrzehnte jünger. So auch in der Stadthalle Bad Godesberg, wo der Brite am vergangenen Mittwoch mit seiner Big Chris Barber Band auftrat.
Von der „Bourbon Street Parade“ über diverse Kompositionen Duke Ellingtons bis hin zu den Barber-Standards „Petite Fleur“ und „Ice Cream“ zog der Altmeister beinahe schon chronologisch Bilanz und
kontrastierte dabei gemächlichen New-Orleans-Blues mit flotten Ragtimes wie dem „Wild Cat Blues“ (bei dem Chris Barber selbst vorübergehend zum Kontrabass griff und das Stück in einer
Trio-Besetzung anstimmte). Auch für seine Verhältnisse moderner Jazz war vertreten: Beim „All Blues“ von Miles Davis trat Barber zwar mit fast allen Bläserkollegen bewusst von der Bühne ab,
ermöglichte aber erst so den starken Saxofonen (allen voran der grandiose Richard Exall) und dem Bassisten Jackie Flavelle, richtig aufzutrumpfen und das Stück zu einem musikalischen Höhepunkt
des Programms zu machen.
Im Mittelpunkt des Abends standen aber die Jungle-Style-Werke Ellingtons, das „East St. Louis Toodle-Oo“ ebenso wie die hoch komplexe „Black and Tan Fantasy“ mit pulsierender Trommel, wimmernden
Posaunen, orientalisch anmutenden Klarinetten und einem beeindruckenden Solo Chris Barbers. Drummer Gregor Beck sorgte zusammen mit Bassist Flavelle für einen unaufgeregten Drive, den die
Blechbläser um den zwischen Posaune und Trompete wechselnden Bob Hunt wahlweise ausfüllten oder verzierten. So verwandelte die Band die Stadthalle kurzerhand in den Cotton Club, sehr zur Freude
des weitgehend ergrauten Publikums, das natürlich auch nach einigen Klassikern aus dem Chris-Barber-Repertoire gierte. Die dann auch kamen: Als die ersten Töne des fantastischen „Petite Fleur“
erklangen, ging ein Raunen durch den Saal, dem nicht zuletzt die gefühlvolle Klarinette Exalls sowie die E-Gitarre des endlich einmal seinem Banjo entsagenden Joe Farler Rechnung trugen. Auch „Oh
when the saints“ gehörte zum Pflichtprogramm, einmal mehr mit einem feinen und vor allem herrlich leisen Solo Barbers sowie einem tollen Querflöten-Part der einzigen Frau auf der Bühne, der
bezaubernden Amy Roberts. Nein, Chris Barber ließ keine Wünsche offen. Bis zum Schluss: Gegen 22.30 Uhr endete das Konzert schließlich, wie fast jedes in den vergangenen 60 Jahren seit der
Erstaufnahme des Songs, mit dem Rausschmeißer „Ice Cream“.
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