Diese Stimme ist wahrlich einzigartig: Rau, charismatisch, facettenreich. Und tief. Sehr tief. Noch ein Stückchen tiefer. In dieser sonst den Männern vorbehaltenen Bass-Domäne hat Marla Glen schon in den 90er Jahren fasziniert, mit der ihr eigenen Mischung aus Blues, Soul, Funk und Rock, in der sie grooven, grummeln und röhren konnte. Jetzt, nach einigen persönlichen und beruflichen Rückschlägen, versucht die 54-Jährige einen Neuanfang, ist mit jeder Menge neuen Materials ins Bonner Pantheon gekommen – und beweist, dass sie noch immer für ein Feuerwerk gut ist.
Wie üblich im Anzug und mit Hut (sie liebt das Spiel mit dem Androgynen) legt The Glen los, schneidet bestens gelaunt Grimassen, tanzt und albert fröhlich herum. Gleich zu Beginn schreibt sie,
während des ersten Songs, Autogrammkarten für das enthusiastische Publikum, kurz darauf geht sie das erste Mal auf Tuchfühlung mit ihren Fans, deren Begeisterung sie begierig aufsaugt. Marla Glen
braucht das, ebenso wie die ständige Bewegung. Zwischendurch setzt sie sich kurz hin, versucht zunächst vergeblich ein paar kleine Momente der Ruhe in ihre aufgekratzte Performance
hineinzubringen, die manchmal an den jungen Ray Charles erinnert, mit allen dazu gehörigen Vor- und Nachteilen. Eine Ähnlichkeit, die Marla Glen wahrscheinlich sogar selbst bewusst ist, als sie
sich bei „Travel“ kurz eine Sonnenbrille aufsetzt, rhythmisch mit dem Kopf nickt und lauthals auflacht. Was ist gespielt, was ist echt? Eine schwierige Frage.
Irgendwann klappt es dann doch auch mal mit der Ruhe. Balladenzeit. Nicht „Believer“ – Marla Glen verzichtet bei ihrem Konzert komplett auf ihren größten Hit. Stattdessen kommt eine schöne
Version von „Ruby Tuesday“, bei der die Lady mit Hut für den ersten Gänsehaut-Moment des Abends sorgt. Später sollen mit dem Neil-Young-Cover „Old man“, bei dem Glen mit Band-Minimalbesetzung
selbst Gitarre spielt, und dem allen Müttern gewidmeten „White roses for my mother“ noch zwei weitere folgen. Dazwischen aber immer wieder Vollgas, auch dank einer meisterhaft spielenden Band.
Vor allem Saxofonist Volker Zimmer sorgt regelmäßig mit brillanten Soli für Aufmerksamkeit. Axel Steinbiss an den Keyboards setzt ebenfalls kleine Akzente, während Mischa Marcks am Bass und der
allzeit souveräne Richy Denis an den Drums dafür die Basis bereiten. Letzterer erhält einmal sogar Konkurrenz durch Marla Glen: Die setzt sich bei „Child“ selbst an eine Trommel, gerät dabei
zunehmend in Trance und sorgt so für ein emotionales Voodoo-Feeling, aus dem sich ein ausgiebiges Solo von Gitarrist Zaki Kiokakis im besten Santana-Stil herauskristallisiert. Top!
Neues Material hat Marla Glen tatsächlich mehr als genug. Neben Stücken vom 2011 erschienen Album „Humanology“ sind auch Songs dabei, die erst auf der kommenden CD „Tricks and Tracks“
veröffentlicht werden. Oder vielleicht sogar noch später. „Ich arbeite an vier Alben“, sagt Glen. Material hätte sie gar für sechs oder sieben. Da kann man ohne weiteres auf die alten Hits
verzichten. Na ja – fast. Denn auch wenn „Believer“ außen vor bleibt, kommt ein Konzert ganz ohne Klassiker nicht aus. Also schmettert die zierliche Frau auf der Bühne stimmgewaltig „A man's
world“, wechselt bei „The cost of freedom“ kurzerhand in die afrikanische Sprache Kikuyu und legt zum Abschluss noch den Gute-Laune-Song „You can't run, you can't hide“ oben drauf, während der
halbe Saal stehend die erfolgreiche Rückkehr einer Ausnahme-Sängerin feiert und schließlich, ganzheitlich auf den Beinen, nach weiteren Zugaben verlangt. Leider vergeblich. Aber es muss ja noch
Überraschungen für das nächste Konzert geben.
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