Der eigentliche Star des Abends ist der Flügel. Dieses arme Ding, was muss es im Pantheon alles mitmachen: Es wird malträtiert und bestiegen, hoch-, quer- und flachgelegt, als Pferd und Wippenhaltepunkt missbraucht – und gebiert sogar, nach einem wilden Ritt, auf offener Bühne ein Baby-Piano. Und zwei Zwergstühle. Als Geburtshelfer agieren in dieser Situation zwei, die sowohl Peiniger als auch Liebhaber des großen Instruments sind: Tenor Tiny van den Eijnden alias Stenzel und sein Begleiter Wilbert Kivits.
Die niederländischen Musikclowns machen in ihrem „Impossible Concert“ vieles möglich, inszenieren etwa kurzerhand mit Hilfe des Publikums eine „Don Quichotte“-Szene oder holen Enrico Caruso für
ein Duett mit dem souveränen Stenzel aus dem Grab zurück. Und sind froh, wenn alles so funktioniert, wie sie sich das vorgestellt haben. Was so gut wie nie der Fall ist.
Stenzel und Kivits sind die musikalische Antwort auf Laurel und Hardy: Zwei gnadenlose Slapstick-Künstler, die schon an Klavierhockern verzweifeln, sich aber unbeirrt an klassischer Literatur
versuchen und zu einem Parcour de Force durch die Welt von Oper und Instrumentalmusik ansetzen. Gerne mal etwas von Verdi oder Mozart, aber auch Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ sind, deutlich
verkürzt, im Programm. Nur nichts, was zu lang ist. Oder fehlerfrei. Das könnte dem Publikum ja missfallen. Als der grandiose Pianist Kivits sich daher an einen zweistündigen „Rondo a la
Turca“-Marathon macht und sich weder die wilde „Kalinka“-Mütze aufsetzt noch wie kurz zuvor einem flüchtenden Klavier hinterherjagen muss, bleibt Stenzel nichts anderes übrig, als mit
Zaubertricks Applaus einzufordern. Dann nämlich verbeugt sich auch Kivits begeistert – Zeit genug, ein wenig in den Noten zu blättern und so das Klaviersolo drastisch zu verkürzen. Um so
irritierter ist Stenzel daher, als aus dem Saal die Forderung nach einer Zugabe laut wird. Doch jetzt noch nicht! Nicht vor „Nessun Dorma“, bei dem der Tenor dank einer eilends installierten
Wippe zum frei fliegenden Holländer wird und so die nötige Luft für die mächtigen Arien-Töne findet.
Schließlich ist alles gesagt und alles gesungen. Stenzel und Kivits haben selbst die Puppen tanzen lassen, sind müde und fertig. Das Publikum aber noch lange nicht. Und so erfährt das Duo aus
erster Hand, was Bernd das Brot tagtäglich erdulden muss: Egal wie sehr man sich auch bemüht, manche Leute wird man einfach nicht los. Auch nicht mit Free Jazz oder Fahrstuhlmusik. Mitleid mit
den Holländern? Keine Chance. Die gilt nur dem Flügel: Erst als dieser schlafen gelegt wird, zugedeckt und auf Kissen gebettet, leert sich das Pantheon. So viel Respekt hat das arme Instrument
aber auch verdient.
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