Es war ein Abend voller Nostalgie, eine Rückbesinnung an jene heute gerne verklärte Zeit, als die heimlichen Pärchen nachmittags beim Tanztee schwoften, sich zu jenen Schlagern und Gassenhauern vergnügend, die heutzutage nur noch wenige zu präsentieren wissen. Einer davon war jetzt im Rahmen der Reihe „Quatsch keine Oper“ in Bonn: Ulrich Tukur, der nicht nur als einer der besten deutschen Schauspieler gilt, sondern auch als exzellenter Musiker. Zusammen mit seinen Rhythmus Boys kramte er alte Schätzchen aus den 20er bis 50er Jahren hervor, dabei weitgehend auf die altbekannten populären Klassiker verzichtend und eher auf Raritäten von Willi Kollo, Peter Kreuder und Friedrich Hollaender setzend.
Tukur selbst jagte singend über die Tasten, charismatisch sein famoses Orgelpfeifen-Trio anleitend: Den Zwei-Meter-Bassisten, Gelegenheits-Bauchtänzer und Lebendpuppen-Ventriloquisten Günter
Märtens, den Standard-Maß-Gitarristen Ulrich Mayer, sowie den Danny DeVito der Schlagzeug-Welt, den grandiosen Kalle Mews. Und los ging’s. Hier ein Foxtrott, da ein Ragtime, ab und zu eine
schmalzige Ballade oder ein fluffiges Tanzmusikstück, auch mal ein – allerdings etwas hektisch wirkender – Charleston oder ein ebensolcher Rock 'n' Roll italienischer Prägung. Schön, auch wenn
Tukur als Sänger nicht ganz so stark war wie als Pianist und Akkordeonist; dies machte er aber durch seine Ausstrahlung und seine offensichtliche Leidenschaft ohne weiteres wett.
Mit einem liebevollen Augenzwinkern spielte die Band Stück um Stück, jede Pretiose von Tukur mit unvergleichlichem Humor anmoderiert und teilweise durch fast schon absurd wirkende Aktionen der
Rhythmus Boys aufgewertet. Großartig etwa, wie Mews sich bei „Von acht bis acht“ hinter seinem Schlagzeug verbog, nur um im Anschluss von Kollege Märtens als Bauchrednerpuppe missbraucht und in
„Mein fröhlicher Kakadu“ kurzerhand zum gleichnamigen plappernden Federvieh umfunktioniert zu werden. Dabei hätte es ihn nicht wundern sollen: Schon bei „Bongo Bongo Bongo“ agierte Mews als
zuverlässiger Tierstimmenimitator; später sollte er bei „Ol' MacDonald“ daher auch die anspruchsvollsten Passagen erhalten. Doch auch ohne Musik konnten die Rhythmus Boys das Publikum für sich
gewinnen. Besonders deutlich wurde dies in ihrem zweiten Karriereweg als dänische Kraftakrobatentruppe „Die Drei Pölser“: Die Übungen der drei, die man vielleicht mit leicht ironischer Intention
als Hochleistungskleinkunst bezeichnen könnte, kamen so gut an, dass sie kurze Zeit später gar aus der Umlaufbahn des Planeten Euphoria wiederholt werden mussten.
Aus diesen klamaukigen Szenen hielt Ulrich Tukur sich dezent heraus, überbrückte dafür die Umzugspausen mit schönen Soloeinlagen über „Nachtgespenster“ (von Hollaender) und „kleine Philosophien“
(von Kollo). Ein hervorragender Kontrast zu den vorhergehenden und den nachfolgenden Clownerien. „Musik für schwache Stunden“ sollte diese Mischung sein, erklärte Tukur zu Beginn des Konzerts.
Aufbauend und wohltuend. Gewirkt hatte es: Als zum Schluss mit einer atmosphärischen Seefahrts-Klangmalerei der Klassiker „La Paloma“ erklang, blieben alle im Opernsaal stark, ließen Ulrich Tukur
und die Rhythmus Boys ziehen und hoffen nun auf ein baldiges Wiedersehen.
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