Er war eine der strahlendsten Figuren des Modern Dance: Choreograph und Tänzer José Limón, zeitweilig ein Kollege der legendären Martha Graham an der Juilliard School, ein Ausnahmetalent mit einer ganz eigenen Formensprache, in der sich moderner Ausdruckstanz mit klassischen Ballett-Elementen verband. Die seinen Namen tragende Dance Company aus New York hat nun ihrem vor mehr als vier Jahrzehnten verstorbenen Meister gehuldigt und am vergangenen Mittwoch in der Bonner Oper vier Choreographien aufgeführt, die teils von Limón selbst erarbeitet wurden, teils von seinen Schülern. Eine bemerkenswerte, elegante, erzählende Würdigung.
Zwei stilistisch diametral entgegengesetzte größere Stücke standen im Mittelpunkt des Abends: Auf der einen Seite das gerade einmal zwei Jahre alte „Come with me“ mit Latin-Jazz-Kompositionen
Paquito D'Riveras, auf der anderen das 1967 von Limón choreographierte „Psalm“, für das Company-Leiterin Carla Maxwell neue, komplexe Musik von Jon Magnussen verwendete. Altes trifft Neues also.
Ein prägendes Konzept. So verbinden sich in „Come with me“ Bossa Nova mit traditionellen Ballett-Schritten, zwischen denen immer wieder Slapstick-Momente verwoben sind, skurril anmutende Sprünge,
die Gewohntes aufbrechen und Bekenntnis einer großen Freiheit sind. Freiheit von steifen Traditionen, aber auch von alten Rollenbildern. Denn die Zeiten, in denen ein Mann grundsätzlich führt,
sind bei „Come with me“ vorbei: Oft sind es die Frauen, die die Initiative ergreifen oder die Tänzer gleich sich selbst überlassen – das Bühnen-Äquivalent zu D'Riveras Stücken, die sich unter
anderem mit den „Damen in Weiß“ auseinandersetzen, einer kubanischen Menschenrechtsgruppierung.
Dem gegenüber steht mit „Psalm“ ein dramatischer Koloss, eine tänzerische Darstellung der jüdischen Legende von den 36 Gerechten, um derentwillen Gott die Welt nicht untergehen lässt. Das am
schwersten zugänglichste Werk des Abends, voller abstrakter Bilder, deren Interpretation durch die teils äußerst monotonen Choräle und Arien, durch Dschungeltrommeln, Streicherteppiche und
Ritualgesänge nicht gerade erleichtert wird. Es ist eine getanzte Beschwörung, ein Aufeinandertreffen von Suchendem und Versuchendem, ein Malstrom aus Armen und Beinen. Beeindruckend – und
dennoch, trotz all dieser Wucht, nicht so faszinierend wie die beiden Kleinode, die die Limón Dance Company an den Anfang der Aufführung gesetzt hat. Denn die „Etude“ Franz Schuberts und die von
Roxanne D'Orléans Juste solistisch umgesetzte „Chaconne“ Johann Sebastian Bachs bringen in ihrer kammermusikalischen Reduktion Limóns Ansatz viel besser auf den Punkt: Es geht nicht darum, zur
Musik zu tanzen, sondern darum, die Musik zu tanzen. Was der Dance Company eindrucksvoll gelungen ist.
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