Sven hat ein Problem. Nun gut, eigentlich mehrere: Einen Schädel, der dröhnt wie eine Kathedrale, keine Erinnerung an die Feier zu seinem 40. Geburtstag, keine Kleider an seinem Blätterbett hinter dem Vorgarten-Busch – sowie eine zickige Madame, die ihren Lebenspartner ausgesperrt hat und mit Schweigen straft. Klingt wie die Ausgangssituation zu „Caveman“, dem am längsten aufgeführten Ein-Personen-Stück in der Geschichte des Broadway. Nur dass in diesem Fall besagte Madame den Namen Bruno trägt und Sven-Darsteller Nik Breidenbach weniger die Vorurteile zwischen den Geschlechtern analysiert als vielmehr die gegen Homosexuelle. Was ihm im Rahmen von „Cavequeen“, das nun erstmals im Pantheon zu sehen war, erstaunlich gut gelingt.
Breidenbach nimmt in seinen Reflexionen über Schwulen-Klischees und sexuelle Vorlieben kein Blatt vor den Mund, spricht über anale Penetration, nymphomane Hengst-Schlampen, Leder-Outfits und
Liebesschaukeln – doch dabei gelingt es ihm, immer kurz vor dem Fall in die Peinlichkeit die Kurve zu kriegen und wieder ernstere Themen anzusprechen. Warum, fragt er etwa, verstört es viele
Menschen mehr, wenn zwei Männer Händchen halten als wenn sie Waffen tragen? Warum gilt Homosexualität beim Homo Sapiens als widernatürlich, bei Pinguinen, Giraffen und Bonobos aber nicht?
Und warum regt sich immer wieder ein Sturm der Empörung, wenn offen über die sexuelle Orientierung geredet wird, während missionierende Sektenanhänger ungestört von Tür zu Tür gehen dürfen?
Protagonist Sven wünscht sich da auf jeden Fall in die Steinzeit zurück, zu der ihm im Traum erschienenen Cavequeen, in dessen Ära Schwule in die Gesellschaft integriert waren, als Kindermädchen
oder Vermittler dienten und als völlig normal galten. Manches war damals eben einfacher.
Nur manchmal schießt Breidenbach etwas übers Ziel hinaus – vor allem dann, wenn er das Publikum aktiv ins Geschehen mit einbeziehen möchte. Eine Frau wird wegen ihres Outfits verlacht, ein
(erfreulicherweise recht schlagfertiger) Mann soll sich zum anderen Ufer bekehren lassen. Momente, in denen die Grenze zwischen gemeinsamem Spaß und unnötigem Vorführen gefährlich nahe kommt. Und
bei ein paar Überlegungen zu Jesus und seinen Jüngern ist es ebenfalls Breidenbach, der dem pinken Elefant im Porzellanladen ordentlich Zucker gibt. Glücklicherweise sind das Ausnahmen in einem
ansonsten sehr unterhaltsamen Programm mit ständigen Rollenwechseln (vor allem Svens Mutter ist grandios überzogen), Angst vor der Alters-Heterosexualität sowie ein paar Lieblingsliedern der
Schwulen-Szene, die Breidenbach genussvoll und mit Leidenschaft ins Pantheon schmettert. „I am what I am“, singt er gekonnt. Und das ist gut so.
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