Die Heimat des Pop liegt in Polen. Um genau zu sein in einer Plattenbausiedlung in Zabrze, wo Opa Popolski alle 128.000 Top-Ten-Hits selbst geschrieben und dann an windige Geschäftemacher verloren oder an aufstrebende Gruppen verschenkt hat, die wiederum die großartigen Pop-Polkas „nach der Strich und nach der Faden“ verhunzten. Doch keiner würde diese Wahrheit kennen, wenn seine Familie nicht seit gut zehn Jahren durch die Lande ziehen und die Menschen aufklären würde. Ein Ziel, das nun als erreicht gilt. Deshalb sind die Popolskis derzeit mit einem „Der Beste von der Beste“-Programm auf Abschiedstour. So auch im Bonner Brückenforum.
Natürlich ist die Polkamanie groß, zumal sich die Popolskis und das ausrichtende Pantheon gegen eine Bestuhlung entschieden haben – das erleichtert das Feiern, Tanzen und Schunkeln, das zu einem
Konzert dieser großartigen Familienband einfach dazugehört. Mit Wonne präsentieren sie die Urformen zahlreicher Klassiker, spielen „What's Up“ ebenso wie „I'm outta love“, offenbaren die
alptraumhaften Hintergründe zu „Gans in weiß“ oder die Original-Version der „Ballade pour Adrenaline“, die erst Richard Claydermann romantisierte und zugleich mit dem falschen Instrument spielte.
Gitarrist Mirek zeigt denn auch, wie es richtig geht: Mit einem dreihalsigen Strato-Monster, einer polnischen Saiten-Hydra, die nur ein Popolski zu zähmen versteht. Und das Publikum? Ist ob
dieser Show begeistert, elektrifiziert, zu allem bereit, kurzum „dobrze“, wie es in Richtung Bühne immer wieder bekräftigt.
Auch mit anderen Fehlentscheidungen der Pop-Welt räumt das Ensemble um Schlagzeuger Pavel Popolski gründlich auf. Letzterer kümmert sich persönlich um die Rehabilitierung der zu Unrecht
unterschätzten Kesselpauke, für die ursprünglich sowohl sowohl „Another one bites the dust“ als auch „Smoke in the water“ komponiert worden waren. Und AC/DCs „Whole lotta rosie“. Alles mit „der
A, der C und der D“, den drei magischen Tönen, auf denen jeder Hit basiert. Dabei braucht es mehr als nur die richtigen Noten, um ein Lied zum Erfolg zu machen. Gute Sänger zum Beispiel. Für die
Popolskis kein Problem. Neben Bobdan „dem Baumeister“ Popolski, der Faithless mal zeigt, wie man eine Techno-Polka mit einer Rhythmusdusche aufpeppen kann, greifen vor allem der Botschafter der
Liebe Andrzej sowie die Rote Dorota zum Mikrofon. Der Porno-Darsteller und ehemalige „Baywatzki“-Star sowie die immer noch auf Männerjagd befindliche Miss Polkalicious, in deren Gegenwart selbst
Worte wie „Kontovollmacht“ oder „Bausparvertrag“ ein beträchtliches erotisches Potenzial haben. Wobei das ohnehin für alles gilt, was die heiße Popolski-Cousine in die Hand oder in den Mund
nimmt. Ihr Duett mit dem blinden Danusz bei der Ballade „Crying at the discotheque“ ist nicht umsonst einer der Höhepunkte der Show.
Doch auch die anderen Familienmitglieder haben ihre Momente: Die beiden Bläser Henjek und Stenjek stehen ebenso im Rampenlicht wie Andrzej, der gegen Ende in einer Badewanne auf die Bühne
gefahren wird, mit fantastisch tiefer Stimme einen Chippendale mit Quietsche-Entchen-Faible gibt und bei „Porn to be alive“ nahezu jeden zur E-Gitarre greifen lässt. Selbst der schüchterne Janusz
kommt zu seinem Recht – wie aus dem Publikum gefordert ignoriert er die Sprüche der ihn verlachenden Angehörigen und lässt es richtig krachen. „Cherry Cherry Lady“ als Aggro-Rap mit
Hardrock-Attitüde. Manchmal sind die Originale eben doch die schönsten.
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