Steine scheinen ein Faible von Gunzi Heil zu sein. So wie Moose, Stofftiere, Tierleichenmassen, Theater, Märchen und vieles mehr. Zu allem kann der schlaksige Badener mit der weißblonden Mähne, der jetzt im Pantheon Casino aufgetreten ist, etwas sagen, sollte das aber vielleicht nicht immer tun. Denn auch wenn es die neun Musen sind, die ihm ständig etwas ins Ohr flüstern, zeugen ihre Worte noch nicht von Qualität – zwischen einigen brillanten Texten finden sich vielmehr zahlreiche mehr oder minder ausbaufähige Fragmente, maue Gags und fahle Assoziationsketten.
Etwa zu geologischen Auswüchsen in Deutschland. Wer versucht, von Franz Walter Steinmeier über außenpolitische Steinzeit, Einstein, dem nicht auf der Bühne stehenden Steinway und Rock 'n' Roll zu
Drafi Deutscher zu gelangen, wird diesen Weg äußerst holprig und überwuchert finden. Warum also Kalauer im Unterholz, wenn es doch so viel bessere Ansätze gibt?
Tatsächlich hat Gunzi Heil einiges zu bieten, wenn er sich erst einmal warm gespielt hat. Märchen in 100 Sekunden – wobei er im Pantheon dank eines Mannes aus dem äußerst aktiven und
redefreudigen Publikum (das durch eine Kuscheltier-Armada verstärkt wurde) feststellen musste, dass er noch eine gute Minute über der Wunschzeit liegt. Macht aber nichts: Die schön gereimten
Kurzversionen von „Rotkäppchen“ und „Frau Holle“ haben auch 160 Sekunden verdient. Im Falle seiner fast wortlosen Fassung von „Spiel mir das Lied vom Tod“ sogar deutlich mehr. Herrlich, wie Heil,
der mit Cowboyhut an einen jüngeren und noch nicht ganz so kaputten Johnny Winter erinnert, Pferdegeklapper, Fliegensummen und Zuggeräusche imitiert und so eine exzellente Wild-West-Stimmung
erzeugt. Ganz großes Kino.
Das Problem von Heil ist jedoch, dass er ein Universalkabarettist sein will, ein Wortakrobat, Sketch-Meister, Musiker, Puppenspieler und Improvisationsgenie, alles in einer Person. Und das ist zu
viel. Denn obwohl er sich in den meisten Bereichen beweisen kann, mit den Puppen Äffle und Pferdle ebenso umzugehen versteht wie mit seinem Flügel, fehlt es seinem Programm doch an Struktur, an
einem gut sichtbaren roten Faden. Und manchmal an Konsequenz. So etwa bei seiner Imitation von Helge Schneider, dessen Sprachstil Heil zwar gut trifft, musikalisch aber eher in Richtung Richard
Claydermann geht – was weder Schneider noch Heil gerecht wird (letzterer zeigt etwa in seinem Bolognese-Lied mit beinahe Kreislerschem Duktus, wie satirisch und zynisch er doch sein kann). Auch
seine Tour de Force durch eine moderne Adaption von Goethes „Faust“ wird so zum Musengau: Pop-Songs und Rock-Stars treffen in einem Mahlstrom aus Ideen auf Werbesprüche und hohe Literatur, werden
wild durcheinander gewirbelt und letztlich zu einem sämig-farblosen Brei verarbeitet. Weil es eben zu viel des Guten war. Könnte Heil doch nur sowohl seine Zitationswut als auch Göttin Thalia und
Konsorten etwas in Zaum halten – er könnte so viel mehr erreichen.
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