War der erste Abend des WDR Crossroads-Festivals in der Harmonie noch von einem starken Kontrastprogramm geprägt, zeigt sich der zweite ausschließlich von einer experimentellen, aber grundsätzlich ruhigen Seite. Sowohl Mister & Mississippi als auch Honig setzen auf Balladen mit Extras, auf Neo-Folk im Stil der Fleet Foxes, auf gemächliche, atmosphärische Songs, die ohne weiteres akustisch funktionieren würden, durch effektvolle E-Gitarren, Synthi-Sounds und ähnliches aber noch einmal aufgepeppt werden.
Beide Bands suchen in ihren Auftritten Vielfalt und Authentizität, sind damit immer wieder erfolgreich, haben aber auch ihre Tiefpunkte. Manche Stücke wirken beinahe verhuscht oder leiden an
einem doch recht ähnlichen Aufbau – andererseits entpuppen sich die übrigen Songs immer wieder als echte Perlen. Wenn etwa die Holländer Tom Broshuis, Danny van Tiggele, Maxime Barlag und Samgar
Lemuël Jacobs, die sich auf der Herman Brood Academy kennengelernt und zu Mister & Mississippi verbunden haben, ihren schönen mehrstimmigen Gesang kurzerhand ohne elektrische Verstärkung vor
der Bühne präsentieren, ist das ein ganz besonderer Genuss. Dann wieder spielen die vier in bester „Get well soon“-Manier mit allen tonalen Möglichkeiten, vermischen Glockenspiele, Cello-Bögen
über E-Gitarren-Saiten und Orgel-Pedale zu einer intensiven Klangerfahrung oder sorgen mit „Follow the Sun“ für gute Laune. Das Publikum ist begeistert. Die Band auch.
Nicht weniger kunstvoll, aber an manchen Stellen noch etwas ehrlicher kommt die Musik von Stefan Honig daher. Die markante Stimme des Singer-Songwriters und ehemaligen Metal-Frontmanns
fasziniert, hat Charakter und kann sich dennoch hervorragend in den ausladenden Kosmos seiner Band-Kollegen einpassen. Manchmal gar ein wenig zu gut: Mit einer Loop-Machine eingesungene
„Ah“-Passagen im Falsettbereich und sonstiger Elektronik-Schnickschnack sind letztlich schmückendes Beiwerk, süßer Zuckerguss, der vom musikalischen Kern des Ganzen ablenkt. Honig pur, nur er und
Gitarre – ab und zu wäre das vielleicht die angenehmere Variante. Vor allem im zweiten Teil des Konzerts, in dem sich ausladende Balladen mit überladenem Schmelz die Klinke in die Hand geben und
man sehnsüchtig auf einen ähnlich genialen Drum-Einsatz wie bei „for those lost in sea“ oder eben eine kleine Akustik-Einlage wartet, der bei einem kleinen Problem mit dem Verstärker in greifbare
Nähe rückt. Klappt leider nicht. Irgendwie schade: Die Reduktion wäre bei all den exzessiven Kopositionen eine Bereicherung gewesen.
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