Mangelnde Sprachkompetenz kann man Jochen Malsmsheimer nun wahrlich nicht vorwerfen – eher kriecht ein Elefant durch ein Nadelöhr, als dass diesem glossophilen, bärbeißig dreinschauenden, lautstarken Verteidiger der deutschen Zunge einmal die Worte ausgehen. So ist es im Pantheon eigentlich nur er, der sein Licht unter den Scheffel stellt und bescheiden glaubt, nur zur Miete in der Muttersprache zu wohnen, obgleich er eher zu jenen gehört, die das teilweise doch recht zerbrechliche Gebäude in Stand halten. Und ab und zu ein paar Anbauten aus dem Boden stampfen.
Dabei scheint dem Titel nach im aktuellen Programm doch das Gebrabbel im Zentrum zu stehen: „Ermpftschnuggn trødå“, das klingt wie eine Fortsetzung von „Hurz“ auf linguistischer statt auf
musikalischer Ebene. Alles nur ein Missverständnis. Wer des Neolithischen mächtig ist, wird es verstehen. Alle anderen müssen lernen. Auf die harte Tour. Im Angesicht eines Sprachgewitters mit
sich hoch auftürmenden Substantiven, Verben und Adjektiven aus den Tiefen des Grimmschen Wörterbuchs, donnergrummelnd vorgetragen von einem sich immer mehr in Rage redenden Deklamator, der mit
Zeus'scher Präzision mit Wortblitzen um sich wirft. Vor allem wenn es um wichtige Themen geht. Wurstbrote etwa. Oder tiefhängende Hosen. Kurzerhand greift Malmsheimer zum Psalm, mahnt das
Beinkleid, doch gefälligst wieder in Richtung Hüfte zu klettern, um das Hosageddon zu verhindern. Das wahrscheinlich dann gekommen ist, wenn die die Kniekehlen umschmeichelnden Stoffe ebenso
blinken wie Weihnachtsmützen auf Rentnerköpfen.
Es sind kleine Dinge, über die Malmsheimer sich aufregt – die großen überlässt er anderen. „Ich bin eine ganz einfache Pflanze“, sagt er. Aber sicher. Quercus linguarius oder so. Egal: Die
deutsche Spracheiche erreicht unabhängig vom Thema die gewünschte Wirkung, auch wenn man ihr manchmal angesichts der brodelnden, vulkanesken Leidenschaft ein wenig mehr Gelassenheit wünschen
würde. Jochen, chill mal dein Leben. Ermpftschnuggn trødå. Andererseits vielleicht doch nicht. Immerhin sind es diese Psalter, Oden, Elegien und die anderen fantastisch ausgestalteten poetischen
Meisterwerke, die ihn auszeichnen und die das Publikum in einen permanent euphorischen Begeisterungszustand versetzen. So wie ganz zum Schluss des Abends die Konferenz der Wörter, das
Laberschwör-Thing, in dem „chillen“ offiziell ins Deutsche aufgenommen wird. Zuzug ist eben Bereicherung, sagt Malmsheimer damit. Aber auch, dass die Sprache sich in der Regel selbst reguliert.
Und sei es dass als Antwort auf die Verstümmelung des „Ph“ durch die Rechtschreibreform die Worte selbst, allen voran der bemitleidenswerte Delfin und die Fotografie, rebellieren und den Spieß
umdrehen, „ff“ und „v“ an den Kragen gehen und aus der Muffe die Muphe machen. Das passiert eben, wenn man dem Deutschen etwas aufzwingt. Die Sprache klärt sich schon selber. Integrativ genug ist
sie ja ohnehin. Da könnten manche Menschen noch einiges von lernen.
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