Musikalische Phrasen in der Dauerschleife. Gebrochene Akkorde unter meditativen Melodien, ab und zu mal ein paar Paukenschläge: Die Kompositionen Ludovico Einaudis sind überschaubar, einfach gestrickt oder, wie der Maestro selbst sagt, minimalistisch. Auf jeden Fall sind sie effektiv. Zumindest wenn das Mini-Orchester, mit dem der Italiener auf Tour ist, sich warm gespielt hat. Am Tanzbrunnen in Köln haben sich jetzt mehrere Tausend Zuhörer von den repetitiven Klängen einlullen lassen – und wurden am Ende mit immer stärker werdenden Werken belohnt.
Dabei sah es zu Beginn noch so aus, als würde Einaudi lediglich immer wieder die selbe Spieluhr aufziehen: Unaufdringlich und belanglos plätscherte die Musik daher, ohne Variationen, ohne
Energie. Die Streicher fiedelten in scheinbarer Romantik, das Schlagwerk hatte kaum etwas zu bieten, Bass und Gitarren noch weniger. Immer wieder die Hoffnung auf einen Ausbruch, eine
Erleuchtung, immer wieder vergebens. Es wirkte wie eine Kopie von Vangelis, eine besonders schlechte, die zudem daran krankte, dass die zwölf Musiker auf der Bühne eigentlich 60 sein müssten, um
aus diesem überschaubaren Ton- und Motivvorrat etwas Erbauliches zu zaubern. So blieben mühsam konstruierter Pathos und Bombast als Notlösung. Besser wäre allerdings Kreativität. Und die kam
schließlich doch. Langsam, aber immerhin. Erste Anzeichen von Dynamik bei einer kraftvollen Cello-Explosion aus einer Pianissimo-Stelle heraus, Wal-Gesänge und wabernde Bässe folgten später. Doch
zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle Instrumentalisten bereit dafür. Eine Solo-Geige ließ im Wechselspiel mit Einaudi am Flügel einiges an Ausdruck vermissen, während der Percussionist
sämtlichen aufgestauten Frust an seinem Instrument auszulassen schien und darauf eindrosch, als ob er Rocky wäre und die Pauke eine Schweinehälfte.
Dann jedoch verschwand das Ensemble, nur Einaudi blieb zurück. Und zauberte. Ein wunderschönes, verträumtes, ungeheuer gefühlvoll gespieltes Piano-Solo, das unter die Haut ging, entstand unter
seinen Händen. Der 58-Jährige erkundete die Melodie, erweckte und liebkoste sie, zeigte, wie man spielen sollte. Und was er zu komponieren in der Lage ist. Seine Mitmusiker schienen es verstanden
zu haben. Ab da folgten die Höhepunkte, stimmten Arrangements und spielerische Qualität. Immer noch Arpeggios im Dauereinsatz, aber wenigstens mit feinen Variationen, die dafür sorgten, dass
nicht wie noch einige Minuten zuvor Langeweile aufkam. Auch mal Tempo, Kraft, Spannung. Und kleine Pop-Zitate: Hier eine winzige entliehene Bewegung aus Stings „Children's Crusade“, da das Intro
von Metallicas „No Leaf Clover“, beides Figuren nach Einaudis Geschmack, Miniaturen im ewigen Kreislauf. Egal: Immerhin passierte mal was.
Mehr als zwei Stunden lang breitete Ludovico Einaudi seine Werke vor dem andächtig lauschenden Publikum aus, ließ die Streicher flirren und die Trommel schlagen, generierte ein Wechselbad der
Lautstärken und in der zweiten Hälfte auch eines der musikalischen Ideen. So macht diese Musik Spaß. Am Ende waren Einaudi und sein Ensemble schließlich da, wo sie ruhig schon am Anfang hätten
sein können: Auf einem elektrisierenden Niveau mit Vielfalt trotz Wiederholung.
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