Manche Musiker sind zeitlos, stilistisch und optisch ein Musterbeispiel für Beständigkeit, kurzum Kult. So wie ZZ Top: Seit fast 35 Jahren hat sich die Band nicht groß verändert, ist dem Bluesrock texanischer Färbung treu geblieben und sieht auch äußerlich zu zwei Dritteln noch genau so aus wie Anfang der 80er. Gut, dem fast kahlen Frank Beard sieht man das Alter inzwischen an, bei Dusty Hill und Billy Gibbons verdecken dagegen die riesigen Bärte und die schwarzen Sonnenbrillen, die ihr Markenzeichen geworden sind, alle nur denkbaren Falten. Alles beim Alten: Posen, Outfits, Songs. Genau so, wie es die gut 7000 Fans, die nach Köln zum Tanzbrunnen gekommen sind, haben wollen. Und warum auch nicht? Never change a running system.
So legen ZZ Top denn auch mit ein paar Klassikern los. „Got me under Pressure“ eröffnet das Konzert, „Gimme all your lovin'“ folgt kurze Zeit später. Die Menge wippt, die Haare – sofern vorhanden
– ebenso. Und doch fehlt etwas. Druck und Drive, jener vorwärts drängende, rockende und rollende Beat, dieser Musik gewordene V8-Motor. Der richtige Sound für eine gemütliche Stadtfahrt, aber der
falsche für eine Tour auf dem Highway. Auch stimmlich schwächeln Gibbons und Hill, die zwar gewohnt knarzig klingen, rau und wüstentrocken, jedoch lediglich mit dem Volumen eines Trabbis, nicht
dem des Eliminator Coupe. Immerhin, das Publikum sorgt für die notwendige Unterstützung, singt die richtigen Phrasen an den richtigen Stellen und bejubelt selbst die beiden Tracks vom aktuellen
Album „La Futura“ – auch wenn oder vielleicht gerade weil in diesen von Zukunft nichts zu hören ist, sie sich nahtlos in den typischen ZZ-Top-Sound einfügen, rückwärts gewandt und schon jetzt
klassisch. Hat ja auch was.
Dann drehen ZZ Top doch noch auf. Spätestens mit ihren beiden Cover-Nummern „Foxy Lady“ (Jimmi Hendrix) und „Catfish Blues“ (Muddy Waters) hat das Trio Betriebstemperatur erreicht, ist wach,
hungrig, frisch. Drummer Beard geht unermüdlich nach vorne, Hill macht am Bass Druck, Gibbons spielt deutlich mehr mit seiner Gitarre. Auch das Publikum wird nun endlich adressiert und bewusst
eingebunden. Na also. Geht doch. Jetzt rollt die Maschine. ZZ Top geben Gas, zeigen sich in bester Stimmung, singen selbstironisch von „Cheap Sunglasses“, texten das wunderbar bluesige „My head's
in Mississippi“ kurzerhand auf Deutschland um, sorgen mit „Sharp Dressed Man“ für Jubelstürme und greifen am Ende gar zu ihren Plüsch-Gitarren.
Doch nicht bei allen scheint dieser zusätzliche Schwung verfangen zu haben: Der Schlussapplaus wirkt überraschend dünn, vor allem am Rand der Menge herrscht stoische Passivität. Trotzdem kommen
ZZ Top noch einmal auf die Bühne – und zeigen mit einem erstklassigen, an John Lee Hooker angelehnten „La Grange“, warum sie bis heute legendär sind. Auch oder gerade weil sie noch so klingen wie
vor 35 Jahren. Andererseits: Wie man Vergangenheit und Gegenwart kreativ miteinander verbinden kann, hat die fantastische Ben Miller Band im Vorprogramm gezeigt. Ihr rockiger Südstaaten-Bluegrass
mit elektrischem Waschbrett, Waschwannenbass und anderen traditionellen, aber an die moderne Spielweise angepassten Instrumenten hatte einen Charme, der mit dem gewisser Bartliebhaber ohne
weiteres mithalten kann. Nur dass ihr Stil noch frischer wirkt. Origineller. Sollte man sich merken. Denn ZZ Top ist ohne Zweifel Kult – aber der Ben Miller Band könnte die Zukunft gehören.
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