Die gute Nachricht gleich am Anfang: Das Bonner Timing stimmt! Da gehen sogar Off-Beats. Also Schläge auf den Zählzeiten 2 und 4 statt auf den in Deutschland so beliebten Marsch-Rhythmen auf 1 und 3. Für das interaktive Konzert, das Christian von Richthofen mit seinem Pianisten Sebgastian Scobel am vergangenen Wochenende im Haus der Springmaus gleichermaßen aufgeführt und dirigiert hat, war dies essentiell. Denn ein einfaches Wumm-ta-ta samt enthusiastisch-stupidem Klatschen von Seiten des Publikums reicht nicht aus, um den charismatischen Maestro in seinem nietnagelneuen Programm „Meet the Beat“ zufrieden zu stellen. Nein, der fordert mehr. Viel mehr. Unter anderem volle Konzentration bei Bossa-Rhythmen. Mitmachen statt sich berieseln lassen. Ein Ansatz, der zumindest in Bonn aufging. Womit der Abend dann doch zu einem ganz besonderen Genuss wurde.
Von Richthofens Konzept ist einfach: Jeder kann Rhythmen folgen, wenn er nur auf die anderen hört. Miteinander entsteht so eine Sinfonie. Und dabei reichen einfachste Hilfsmittel völlig aus.
Plastiktüten zum Beispiel. Eine alleine ist recht unspektakulär, ein gutes Dutzend erzeugt raschelnd aber doch ein fantastisches Regengeräusch. Holzstäbchen und Dessertlöffel dazu, ein bisschen
Aufklärungsarbeit von dem Rhythmus-Pfarrer, schon steht ein Swing-Rhythmus, der in Bonn für einen Bahn-Blues ebenso Verwendung fand wie für „Raindrops keep falling on my head“. Selbst eine
Gewitter-Einlage stellte kein Problem dar: Fünf Leute aus dem Publikum auf einer mikrophonierten Plattform, ein kräftiger Sprung, fertig war der Donner. Ein fantastisches Erlebnis.
Von Richthofen sparte denn auch nicht mit Lob. „Es gibt Landkreise, da kriegst du die Krise“, erzählte er – ganz anders als in der Bundesstadt. „Beklatscht euch ruhig selber“, sagte er, bevor er
den Schwierigkeitsgrad etwas anzog. Lateinamerikanisch sollte es werden, ein leichter Bossa Nova oder ein Rumba stand auf dem Programm. Keine brasilianische Clave, die wäre dann doch zu komplex
geworden, aber immerhin. Auch hier zog das Bonner Publikum mit und zeigte sich so souverän, dass von Richthofen gleich drei Stücke mit diesen Rhythmen unterfütterte. Ein paar passionierte
Trommler durften sich gar auf ausgedienten Atari-Tastaturen austoben – auch Elektroschrott hat immerhin einen Klang. Wer braucht schon ein Cajón oder einen Hang, wenn überall Instrumente
herumliegen? In der Springmaus gab es nur eine kleine Einschränkung: „Bitte nicht die Gläser bespielen.“ Schade.
Ansonsten war alles zugelassen. Zumindest für von Richthofen, der es sich nicht nehmen ließ, auch mal zusammen mit seinem brillanten Pianisten die eigenen Fähigkeiten zu demonstrieren. Ein
Barhocker und eine Leiter dienten etwa bei Chick Coreas „Amando's Rumba“ als Schlagzeug-Ersatz, öfters kam auch eine Loop-Machine zum Einsatz. Und sei es nur, um mit sich selber sprechen zu
können. Oder um einen komplexen schnellen Samba via Scat-Gesang und Beatboxing einzuspielen. Beeindruckend. Dennoch blieben die schönsten Momente dem gemeinsamen Spiel des Publikums-Orchesters
vorbehalten. Auch von Richthofen zeigte sich angetan. „Ich sag nur Bonnbe“, lobte er. Kann man nur zurückgeben.
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