Boom Boom Boom Boom – ein typischer Dancefloor-Grundrhythmus jagt mit einer Dreiviertelstunde Verspätung über den KunstRasen, ein monotoner, unaufhaltsamer Beat, der Herzschlag einer riesigen Open-Air-Disco, der die rund 2500 Besucher in Bewegung setzt. Die Arme wedeln, die Beine zappeln. Und das Blut tanzt Swing. Oder zumindest etwas in der Richtung. Könnte auch Ska oder Balkan-Jazz sein, was der österreichische DJ Parov Stelar zusammen mit seiner Band da über die Techno-Rhythmen legt. Hauptsache, Saxofon und Trompete dürfen ihre beliebten flotten Motive spielen und so für Stimmung sorgen.
Für Außenstehende mutet diese Kombination zunächst einmal fremd an: Vom klassischen Ellington-Sound ist die Mixtur Stelars meilenweit entfernt, vom rein elektronisch getragenen Techno und seiner
Spielarten ebenfalls. Mit etwas gutem Willen kann man sich aber in Stimmung hören und stellt irgendwann fest, dass man selbst unweigerlich im Takt wippt und klatscht – vor allem wenn dann doch
einmal der Swing die Oberhand gewinnt und ein kleiner Charleston-Einspieler die Marschroute vorgibt. Oder wenn die beiden Bläser richtig Gas geben: Max the Sax und Trompeter Jerry Di Monza (in
der Formation tragen sie allesamt Künstlernamen, das scheint dazu zu gehören) sind ohnehin im Dauereinsatz, dürfen aber auch immer wieder auf Touren kommen, jagen mit 180 Sachen durch den
Musik-Parcours und bilden den Gegenpol zur zwar gerne mit den Hüften wackelnden, insgesamt aber nüchternen, fast schon androgyn wirkenden Sängerin Cleo Panther mit ihrer phänomenalen Stimme, die
von Stück zu Stück stärker zu werden scheint.
Parov Stelar selbst hält sich derweil im Hintergrund: Er übernimmt das Programming vom DJ-Pult aus, steht bewusst in der zweiten Reihe, teilweise durch eine LED-Wand verdeckt, weitgehend
unauffällig und doch der Kopf des Ganzen. Er gilt als einer der Pioniere des Electroswing, auch wenn er selbst mit diesem Begriff nach eigenen Angaben nichts anfangen kann, ist der Ideengeber,
der eine komplette Generation im Prinzip zu einem modernen Tanztee lädt. Und damit offensichtlich Erfolg hat. Die Stimmung auf dem KunstRasen ist auf jeden Fall gut, zumal ausnahmsweise auch das
Wetter mitspielt, von ein paar Tropfen gegen 21 Uhr einmal abgesehen. Auch der inzwischen schon recht mitgenommene Rasen, der als Tanzfläche nur noch bedingt zu gebrauchen ist, stört das Publikum
nicht.
„All night long“ könnte das gehen, induziert irgendwann ein Song Parov Stelars. Natürlich eine hohle Floskel: Nach einem vielversprechenden Swing-Auftakt folgt eine poppige, massentaugliche
Mitsing-Passage, mit der man ja keinem auf die Füße treten will. Es ist der Auftakt zum Ende. Eigentlich gar nicht mal so schlimm. Die Faszination an den Stelarschen Experimenten lässt so langsam
nach, die Figuren, die Saxofon und Trompete spielen, wiederholen sich zunehmend. Die Innovation wird zum Standard und auch die kreativen Videoeinspieler können nicht darüber hinwegtäuschen, dass
das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Zumindest auf dem KunstRasen. Wer noch weiterfeiern wollte, konnte dies bei der After-Show-Party in der „Falle“ tun.
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