Da flirren sie wieder, die Saiten: Triller jagen Arpeggios, virtuose Melodien erheben sich über temporeicher Akkordbegleitung. Flamenco, der für gute Laune sorgt. Ja, Tierra Negra beherrscht diese Spielform richtig gut, wie das Duo jetzt im Kleinen Theater Bad Godesberg im Rahmen der „Sommergäste“-Reihe bewies. Und so lange sich Raughi Ebert und Leo Henrichs ausschließlich auf ihre Fähigkeiten als Gitarristas verlassen, Gas geben und ein wenig zaubern, macht jeder Ton Lust auf mehr. Doch leider bleibt es nicht dabei. Stattdessen sorgt eine Tour entlang der „Memory Lane“ für Ernüchterung. Weil das Herz fehlt. Und eine gute Reiseleitung.
Das neue Album von Tierra Negra steht im Mittelpunkt des gut anderthalbstündigen Programms, eine Art instrumentiertes Road-Movie, wie Ebert sagt. In einem 30-Minuten-Block lassen die beiden
Saitenmeister daher die einzelnen Stücke ineinanderlaufen, führen die Zuhörer von Südamerika und Indien über Andalusien und Jamaika bis nach Südfrankreich und in die USA. Kann man ja mal machen.
Wenn das Material es hergibt. Was es aber nicht tut. Schon allein die via Playback eingespielten Disco-Beats, die Tierra Negra unter ihre Stücke legt, wirken unnötig steif und gekünstelt, so weit
weg von dem authentischen Spiel, das die beiden sonst pflegen, dass sich unweigerlich Irritationen breit machen und einige Zuhörer gar den Live-Charakter des Konzerts in Frage stellen. Was die
beiden spielen ist Lounge, aber ohne Flamenco, austauschbares Gedudel, das zudem stilistisch bei weitem nicht dem Weltreise-Topos gerecht wird. Von indischen Harmonien ist nichts zu hören, und
auch der versprochene Reggae kommt lediglich im Rhythmus zum Vorschein, nicht aber in der Melodieführung, die eher an eine weichgespülte Rock-Ballade im Stil der Eagles erinnert als an eine
Nummer von Bob Marley.
Richtig stark wurde das Konzert denn auch erst, als Ebert und Henrichs wieder auf die mitgebrachte Technik verzichten: Weg mit störenden Beats, her mit dem Flamenco. Bei „Entre dos riojas“ (das
tatsächlich zwischen zwei Gläsern Rotwein entstanden sein soll) tauchen melodische Reminiszenzen an Paco de Lucias „Mediterran Sundance“ auf, die jetzt auch endlich einmal Luft zum Atmen erhalten
– und es geht weiter aufwärts. Immer schneller werden die beiden, bis sie sich in „A Night in Montreal“ und „Scirocco“ ergießen, zwei Songs, bei denen das Duo noch mindestens drei Schippen im
Vergleich zu den CD-Versionen drauflegt. Gut so. Denn genau darauf hat das jubelnde Publikum gewartet, auf diese Brillanz, mit der Tierra Negra in der ersten Konzerthälfte noch viel zu sehr
hinter dem Berg gehalten hat. Flamenco Nuevo, wie die beiden selbst sagen. Damit klappt es auch mit der Stimmung. „Es war schön hier, fast wie in Spanien“, sagen die beiden noch. Und
verabschieden sich bis zum Dezember. Dann kommen Tierra Negra wieder nach Bonn.
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