Taghell wird der Platz nicht, dafür sind einfach zu wenige Menschen mit strahlkräftigen Handys vor Ort, aber die Richtung stimmt: „Kommt, wir bringen die Welt zum Leuchten“ singt Adel Tawil bei dem letzten KunstRasen-Konzert des Jahres und sieht fasziniert auf ein funkelndes Meer aus Lichtern. Die gut 2000 Besucher, für einen Star dieser Größe erschreckend wenig, zücken alles, was auch nur ansatzweise die Dunkelheit zurücktreiben könnte, machen fehlende Masse durch Begeisterung wett, sind für jeden Spaß zu haben. Selbst für Yoga-Bäume. Ein guter, ein würdiger Abschluss für eine leider vom Wetter stark beeinträchtigte Saison, manchmal zwar etwas zu pathetisch und schmalzig, aber dafür das Publikum begeisternd. Zumal Tawil sich zunehmend öffnet, Distanz überwindet und schließlich auch den Bonnern zugesteht, vom selben Stern wie er zu sein.
Gerade dieses Lied sorgt für einen Gänsehaut-Moment: Ganz leise, nur flüsternd soll die Menge den Refrain singen, während Adel Tawil im Fotograben an die erste Reihe herantritt, sich ein kleines
Mädchen aussucht und sie in sein Mikro singen lässt. Die traut sich – und gefällt so gut, dass das Duett gleich in die nächste Runde geht. Süß. Solche Aktionen sind es, die das Konzert
herausheben, zu etwas Besonderem machen, nicht die souverän präsentierten, aber steril wirkenden Songs zu Beginn wie das wummernde „Herzschrittmacher“ oder die Liebesschnulze „Niemals Niemand“,
bei der Tawil dem vielen Menschen sauer aufstoßenden Sermon eines Xavier Naidoo gefährlich nahe kommt. Dann doch lieber die kraftvolleren, authentischer wirkenden Rap-Nummern inklusive der alten
The Boyz-Single „One Minute“. Oder eben die Songs mit den großen Gesten und den noch größeren Versen. „Stadt“ etwa, oder das vom Publikum lautstark geforderte „Lieder“, dessen Refrain dieses dann
auch gerne a capella zum Besten gibt. Und auch wenn nach dem „offiziellen“ Ende nach nur 70 Minuten klar war, dass Tawil samt Band noch einmal zurück auf die Bühne kommt (was dann unter anderem
in der Sternengeschichte mündet), haben sich die 2000 Fans mehr verdient. „Guck dir mal die Party an, da können wir noch eins spielen“, ruft einer der Musiker seinem Chef zu. Also Zugabenpaket
Nummer zwei, mit Tawil auf dem Bühnenrand sitzend. Ohne Schnickschnack, ohne Effekte, ohne Maske.
Mit dieser Authentizität hat einen Tag zuvor auch Gregor Meyle das Publikum für sich gewinnen können. Nur 1300 waren da gekommen, für Open-Air-Verhältnisse herrschte eine Wohnzimmer-Atmosphäre.
Letztlich besser so: Der ruhige, introvertierte Meyle braucht trotz der großen Aufmerksamkeit, die er zuletzt durch die Teilnahme an der Sendung „Sing meinen Song“ erhalten hat, die Nähe zu
seinen Fans, um wirklich überzeugen zu können. Und er braucht Zeit: Für die gefühlt 48 Songs, die er vorträgt, aber auch für das regelmäßige Stimmen seiner Gitarre, eine Aktion, die sich im Laufe
des Abends zum Running Gag entwickelt. Aufgesetzt wirkt das erfreulicherweise nicht, ebenso wenig wie die anderen Spitzen und Pointen, die Meyle zwischen seine sonst eher ruhigen Songs setzt und
so ein Wegdämmern verhindert. Zumal er mit seinen Special Guests, der Kölner Mundart-Band Kasalla, noch eine weitere Dosis musikalischen Koffeins im Gepäck hat. Gut so.
Das Final-Wochenende des KunstRasens offenbart ein Dilemma: Zwar war die Stimmung an allen drei Tagen gut (bezieht man das BossHoss-Konzert am Freitag mit ein), der Platz aber leider längst nicht
so ausgelastet, wie das die Veranstalter erhofft haben und auch verdient hätten. Das mag mit dem durchwachsenen Wetter zusammenhängen, sicherlich aber auch mit der unseligen Lärmdebatte, auf die
sich so mancher Künstler und auch so mancher Besucher nicht einlassen will. Um den KunstRasen zu halten, bedarf es also endlich einmal eines klaren Statements von Seiten der Stadt, die auch gegen
Einzelbeschwerden Position für die Open-Air-Veranstaltungen bezieht. Sonst müssen selbst Sternenkinder bald woanders leuchten. Wäre schade drum.
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