Goya und Beethoven. Revolutionäre der Kunst, nun in selbiger vereint. Mit diesem Ansatz hat der Komponist Helmut Oehring den dritten Teil seines Goya-Zyklus geschrieben, der am vergangenen Montag in der Bundeskunsthalle durch das Ensemble Resonanz uraufgeführt worden ist. Ein schroffes Werk, mehr aus Geräuschen denn Klängen bestehend und doch auf eine unterschwellige Weise verständlich, bei aller Dissonanz und Zerrissenheit doch mit einer klaren konzeptionellen Sprache versehen. Ein Stück, so wie der taube Goya es in Entsprechung zu seinen Radierungen vielleicht geschrieben hätte.
Diese Taubheit ist eine weitere Verbindung zu Beethoven, dessen Quartett Nr. 14 in cis-Moll als Referenzrahmen für Oehrings Konstruktion steht. Als dieses Werk entstand, konnte der große
Komponist bereits seit sechs Jahren nichts mehr hören, konnte die Musik nur spüren – und schaffte es dennoch, ein derart harmonisches, cleveres, vielschichtiges Stück zu erschaffen, das in seinem
für damalige Verhältnisse avantgardistischen Duktus einem letzten rebellischen Aufschrei gleichgekommen sein dürfte. „Ich höre das Zerschossene bei Beethoven“, gesteht Oehring dazu in der
Konzerteinführung. In weiten Teilen herrscht ein melancholischer Tonfall vor, ähnlich wie in den Arbeiten Goyas aus den „Skizzenbüchern von Bordeaux“, die der Künstler kurz vor seinem Tod im Exil
schuf und die für Oehring eine weitere Grundlage bildete. Darin zeichnete Goya die Abgeschobenen und Weggeschlossenen, die Randfiguren, die Krüppel, die wie er selbst nicht mehr viel vom Leben zu
erwarten hatten. Kein Wunder, dass Harmonie in „Goya III“ keine Rolle spielt. Stattdessen spielt Oehring, selbst Sohn gehörloser Eltern und nach eigenen Angaben erst mit vier Jahren mit der Welt
der Hörenden in Kontakt gekommen, mit dem Sinnesorgan Ohr, lässt sein Werk nur als leises, gerade noch erahnbares Flirren beginnen, setzt später Sprechakten jaulende Streicher-Sirenen gegenüber,
malt selbst in düsteren Farben und verleiht selbst dem Schweigen seinen eigenen Klang.
Das Ensemble Resonanz agierte trotz des ungewöhnlichen Stücks hochkonzentriert und präzise, oft eine bemerkenswert aufgeladene Atmosphäre erzeugend, die bei derartigen Auswüchsen der Neuen Musik
schnell einmal fehlt. Ihre klanglichen Qualitäten stellte das Streichorchester derweil bei dem für ihre Größe entsprechend erweiterten besagten Quartett Nr. 14 unter Beweis. Der elegante und
dynamische zweite Satz ein Genuss, ebenso das wehmütige Adagio und der kraftvolle Finalsatz. Einzig die ungewöhnlichen Celli-Einwürfe im Scherzo, abrupt gezupft ohne dabei pointiert genug zu
sein, sowie das Pausenmanagement im Mittelteil wirken ein wenig schwach. Insgesamt bildet Beethovens Lieblingsquartett gerade in der Orchesterfassung aber ein würdiges Gegenstück zu Oehrings
gewöhnungsbedürftigem Werk, das mit dem Hintergrundwissen über die drei hineinspielenden Künstlerbiografien auf einmal eine ganz neue Dimension erhält. Bleibt abzuwarten, wie der Abschluss des
als Tetralogie geplanten Zyklus gelingt. „Goya IV“ soll eine Oper werden. „Nicht unbedingt genussreich“, prophezeit er, „aber der Mühe wert, gehört zu werden.“
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