Ach, was hat er nicht schon alles gesehen, wen nicht schon alles getroffen: Hugh Masekela wird fast schon ein bisschen wehmütig, wenn er zurückblickt. Der 75-Jährige, einer der ganz großen Jazz-Pioniere Südafrikas, hat viel zu berichten, liebt vor allem Anekdoten, die im Zusammenhang mit jenen Stücken stehen, die er im Rahmen des Beethovenfests in der Bonner Harmonie zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Larry Willis zum Besten gibt. New York, damals in den 60ern, wo Jazz an jeder Ecke erklang, man Musiker wie John Coltrane hautnah sah und hörte, oder Louis Armstrong, dem Masekela das Konzert ebenso widmet wie seiner Ex-Frau Miriam Makeba.
„Ohne Satchmo wären wir alle heute Abend nicht hier“, sagt er. Und er auch nicht ohne Mama Afrika, die ihn zum Singen ermutigte, ja gar erpresste. „Larry drohte, er würde nicht mehr spielen, wenn
ich nicht singen würde. Und Miriam sagte, sie würde mich nicht heiraten. Ich habe geantwortet, ich sei ein Bebop-Typ, da wäre Singen uncool. Aber dann habe ich nachgegeben“, erzählt Masekela. Gut
so.
Auf der Bühne der Harmonie verbeugt er sich gleich zweimal vor Miriam Makeba, indem er ihre Heilgesänge anstimmt. Stimme und Horn, beides funktioniert, auch wenn man das Alter Masekelas durchaus
heraushören kann. In guter wie in schlechter Hinsicht: Längst nicht alle Töne sitzen, doch dank des Charismas und der Erfahrung des 75-Jährigen, der mit seinem rauen Organ durchaus Ähnlichkeiten
mit Armstrong (dessen Song „Sleepy time down south“ Masekela ebenfalls im Repertoire hat) aufweisen kann, ist das irgendwie gar nicht so wichtig. Erst recht nicht bei den schamanistischen
Zulu-Versen Makebas, die Masekela gerne gackert, grunzt und gurrt. Sein Freund Willis lächelt in diesen Momenten nur. Die beiden kennen sich bereits seit 54 Jahren, genau so lange würden sie auch
schon versuchen, sich loszuwerden, sagt Masekela lachend. Und immer würden sie großartig scheitern. Zum Glück fürs Publikum. Willis, der sich dezent zurückhaltende Herr am Klavier, der eher an
einen emeritierten Uni-Professor erinnert als an den ehemaligen „Blood, Swaet & Tears2-Pianisten und der sich einfach nicht aus der Ruhe bringen lässt, und Masekela mit seinem lyrisch
klingenden Horn ergänzen sich gut. Beide geben sich ganz entspannt, lassen sich nicht hetzen, was allerdings auch dazu führt, dass „Cantaloupe Island“ ein bisschen zu gemütlich daherkommt und
durchaus etwas knackiger hätte sein können. Andererseits passt das zum alten „Rocking Chair“, den Masekela am Ende kurzerhand durch einen „Wheelchair“ ersetzt – und auch „Billie's Bounce“, eine
der leichteren Kompositionen des legendären Charlie Parker, verträgt dieses reduzierte Tempo erstaunlich gut. Zumal sich Masekela und Willis einfach die Zeit nehmen, die sie für ihren besonderen
Stil brauchen. „Man hat uns in der Pause gesagt, wir hätten etwas zu lang gespielt. Was meint ihr?“, fragt Masekela zu Beginn der zweiten Konzerthälfte. Natürlich lautet die Antwort „Nein.“
Irgendwann ist dann aber doch Schluss. Mehr als zwei Stunden haben die beiden Jazz-Veteranen dann gespielt, sich in zehn Stücken ausgebreitet. Feiner Jazz der alten Schule, dazwischen die
Weltmusik-Klänge Makebas – alles aus einem Guss. Sogar einen alten Soultitel von Thom Bell („you make me feel brand new“) haben Masekela und Willis sich einverleibt, ihn zu ihrem gemacht. Selbst
wenn das heißt, das alles ein klein wenig langsamer laufen muss. Aber deswegen ja nicht zwangsläufig schlechter.
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