Ungerade Taktarten, geniale Musik: Das war das Markenzeichen des Jazz-Pianisten Dave Brubeck. In der PostTower Lounge haben ihm nun die beiden Powerfrauen Laia Genc (Klavier) und Sabine Kühlich (Saxofon, Gesang) im Rahmen des Beethovenfests einen ganzen Abend gewidmet. Ein Duo statt des bei Brubeck beliebten Quartetts, das sich aber geschickt und mit einigem Witz auf die Suche nach dem Kern der Stücke machte. Und dabei immer wieder Überraschendes zu Tage förderte.
Genc, derzeit eine der aufregendsten Jazz-Pianistinnen Deutschlands, hat ihre stilistische Bandbreite in den vergangenen Jahren immer wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt, hat sich unter
anderem bei Terence Ngassa mit Afro-Funk beschäftigt, mit ihrem eigenen Trio die Möglichkeiten und Freiheiten des Modern Jazz ausgelotet und zuletzt beim Jazzfest Bonn eine Verbindung zu Béla
Bartók hergestellt. Jetzt also Brubeck mit seinen faszinierenden Rhythmen. Mit Sabine Kühlich hat Genc dabei eine Bühnenpartnerin gefunden, die für jeden Spaß und jede Extravaganz zu haben ist,
neben ihrem Saxofon auch ab und an fröhlich Vokal-Posaune spielt, leidenschaftlich ins Mikrofon pfeift und immer wieder – es dabei manchmal sogar übertreibend – in wilden Scat-Gesang verfällt.
Eine Frau, die das Rampenlicht liebt, ihrer Duo-Partnerin aber immer die nötigen Freiräume öffnet, um ordentlich in die Tasten zu hausen. Passt.
Derart gewappnet ziehen die beiden einmal quer durch das Brubecksche Œuvre, vom „Reggae Waltz“ über „Blue Rondo à la Turk“ (im 9/8-Takt) und dem „Unsquare Dance“ (im 7/4-Takt, bei dem auch das
Publikum helfen muss) und dem legendären „Take Five“ bis hin zum Disney-Klassiker „When you wish upon a star“ aus dem Film „Pinnoccio“, den der Meister 1957 als Cover-Version aufnahm. Dazwischen
Eigenkompositionen, die Hepburn-Hommage „Audrey“ des unglücklich in die Schauspielerin verliebten Paul Desmond und Brad Mehldaus „Song Song“ vom Album „Songs“, das dank eines hinzugedichteten
Texts von Kühlich und Genc zum „Song Song Song“ mutierte. Und das ausgerechnet im angeblich „seriösen“ zweiten Teil. Jenem, in dem auch kurzerhand bei „Strange Meadow Lark“ ein paar Vogelstimmen
ins Mikrofon gezwitschert werden, die das Publikum begeistert aufnimmt.
Den stärksten Eindruck hinterlässt das Duo allerdings dann, wenn es sich nicht ganz so sehr bemüht aufzufallen: Der hypnotische „Sermon“ etwa ist fantastisch, ebenso wie das bereits erwähnte
„Take Five“ - vor allem, nachdem Kühlich vom artifiziellen Scat weg und mehr zum etwas dezenteren Beatboxing hin gewechselt ist. Etwas weniger tut manchmal einfach gut, zumal Kühlichs hauchige,
durchaus erotische Stimme erst abseits der Extreme ihre volle Wirkung entfaltet. Zusammen mit dem kraftvollen, exzellenten Spiel Laia Gencs, das kaum Wünsche offen lässt, ist die Kombination in
diesen Momenten an einem Höhepunkt angelangt. Das Publikum bedankt sich denn auch mit kräftigem Applaus.
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