Hauptsache Bombast. Wenn es blitzt und donnert, Funkenfontänen Feuer spucken, die Windmaschine das blonde Haar zerwuschelt und sich attraktive Tänzerinnen auf der Bühne räkeln, fühlt David Garrett sich wohl. In der Lanxess Arena hat der Pop-Geiger nun im Rahmen seiner neuen Classic-Revolution-Tour Station gemacht und mit diesen Show-Elementen darüber hinwegzutäuschen versucht, dass die musikalische Substanz in etwa so dünn ist wie das Lametta, das bei Coldplays „Paradise“ tonnenweise in die Luft geschossen wird. Sieht schön aus, sorgt für ein paar Aha-Momente – und kommt dann in den Restmüll.
Das wahre Können Garretts wird durch die megalomanische Inszenierung zugekleistert, wird übertüncht durch massenkompatible, letztlich aber belanglose Arrangements von Rock- und Klassik-Hits.
Ernsthafter Geiger hätte er werden können, erfolgreicher Pop-Star ist er geworden. Einer, der sich selbst verkauft und so ziemlich alles verwurstet, was der Masse gefallen könnte, statt einmal
etwas zu wagen. Und der im Tausch für diesen mephistophelischen Handel eben die großen Säle füllt. „Let me entertain you“ dient in der Lanxess-Arena als Auftakt und Motto, während Garrett
Super-Geiger-echt via Seilbahn quer durch die Halle fährt. Schon dieses Eröffnungsstück ist mehr Schein als Sein, letztlich eine mäßige Kopie des Originals statt eine intelligente
Interpretation, aufgeblasen durch die „legendäre“ Band Garretts und die Neue Philharmonie Frankfurt. Musik wie ein Fast-Food-Burger: Ist essbar, sättigt aber nicht. Ein Vergleich, der für
den gesamten Abend gilt.
Dabei scheut Garrett vor keinem noch so peinlichen Auftritt zurück: Andrea Bocelli wird via Video-Playback eingespielt, der Chor für die Carmina Burana ebenso, auch wenn dieser sich der in diesem
Fall viel zu dünnen Geige unterordnen muss. Mozarts Requiem wird in ein Dance-Gewand gequetscht, Beethovens „Pathethique“ verkitscht, Verdi vergewaltigt. Bei Deep Purples „The Well-Dressed
Guitar“ sprüht die Geige Funken, bei Bon Jovis „Living on a prayer“ zappeln die Tänzerinnen des Deutschen Fernsehballetts ausgerechnet in Ramones-Shirts (die anderen Kostüme sind noch schlimmer)
über die Bühne und bei „We are the Champions“ werden in rückblickender Fußballweltmeisterschafts-Seligkeit die Deutschland-Fahnen geschwenkt. Und überall David Garrett. Vor einer hübschen blonden
Kölnerin kniend, am Klavier sitzend, über die Bühne sprintend. Eine riesige Selbstinszenierung samt sorgsam konstruierter und gekünstelt präsentierter SMS von der Mama über den Zustand seines
Kühlschranks. Authentizität? Fehlanzeige. Alles nur Show.
Weitaus schlimmer wird das Konzert dadurch, dass der Sound in der Lanxess Arena wie leider so oft unterirdisch ist. Sobald die Geige im Kampf mit Band und Orchester in die hohen Lagen wechselt,
quietscht sie wie eine sterbende Katze, den Trompeten ergeht es nicht anders. So werden selbst jene wenigen Momente, in denen David Garrett sich von Plattitüden befreit und anfängt, ernsthaft
Musik zu machen, zwangsläufig zur Qual. Schade. All das hätte der ehemals schnellste Geiger der Welt (den Titel trägt seit 2010 ein anderer) nicht nötig, mit seinem Talent könnte er mehr machen.
Wenn er denn wollte und nicht auf dem Altar des Erfolgs die Qualität opfern würde.
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