Sechs Herrscher in ebenso vielen Stunden, eine Tour de Force durch die englische Geschichte und Shakespeares Königsdramen: Das Theater Bonn hatte sich gleich zu Beginn der neuen Spielzeit viel vorgenommen. Eine Reduktion auf die einzelnen Monarchen und ihren Tanz zwischen Zwängen und Streben, zwischen Wahn und Wunsch wollten Regisseurin Alice Buddeberg und Dramaturg Lothar Kittstein schaffen, ein Kondensat der Historien des Barden von Avon. Nun hat in der Halle Beuel der erste Teil dieses aus Krankheitsgründen geteilten Schauspiel-Marathons seine Premiere gefeiert – und mehr für Irritationen als für uneingeschränkte Begeisterung gesorgt.
In der inzwischen Bonn-typischen Art hat Buddeberg ihrer Inszenierung einen fast schon aufdringlich grellen Anstrich verpasst, hat die Ernsthaftigkeit der zentralen Reflexionen mit Klamauk
übertüncht. Das kann durchaus funktionieren, wie zuletzt erst Tschechows Stück „Die Möwe“ in den Kammerspielen Bad Godesberg zeigte – oder aber grandios scheitern, vor allem dann, wenn man es
übertreibt und mehr auf den aufgepfropften Witz setzt als auf die Macht der Worte (in Bonn in der mutigen Über- und Umsetzung von Thomas Melle). Für ein ambitioniertes Mammutprojekt wie die
Königsdramen ist dies verheerend, mutieren doch so die Monarchen, deren Seele man eigentlich offenlegen wollte, zu wahlweise der Lächerlichkeit oder der Belanglosigkeit preisgegebenen Gestalten.
Richard II. (Daniel Breitfelder, der den Wahnsinn meisterlich spielt) wird in weiten Teilen zum psychopathischen Narren degradiert, der sich an sein Stofftier klammert, winselt, weint und dann
wieder wütet, eine skurrile Mischung aus Baby Herman, Jack Sparrow, Iggy Pop und dem Joker. Eine ungeheuer unterhaltsame und stellenweise zutiefst eindringliche Figur mit diversen starken Szenen
– aber keiner Fallhöhe. Daran leiden auch die anderen Protagonisten: Heinrich IV. (Sören Wunderlich) bleibt auf der kahlen Halbrund-Bühne leider blass, Heinrich V. (Hajo Tuschy) trotz seiner
Verwandlung vom mit Falstaff herumhurenden Trunkenbold zum Kriegsherrn oberflächlich. Die ihnen nachgesagte Ausstrahlung, ihr Charisma ist Opfer der Kürzungen geworden. Das sind keine
Shakespeare-Könige mehr, keine Leitsterne, die auch unter widrigsten Umständen zu führen vermögen, auch wenn sie innerlich an sich selbst zweifeln. Sondern nur noch Parodien ihrer selbst.
Die anderen Schauspieler werden derweil, auch das ist den Kürzungen geschuldet, zu Randfiguren, können und dürfen nicht zeigen, wozu sie fähig sind. Bernd Braun begeistert zwar als John of Gaunt,
muss aber bereits nach wenigen Minuten sein Leben lassen – ausgerechnet er, der noch zu zeigen versucht, was einen echten König ausmacht. Robert Höller macht als treuer Aumerle eine gute Figur,
muss später aber als Dauphin den Clown spielen, der mit ewig breitem Grinsen über die Bühne springt und dabei wirkt, als sei er gerade frisch aus dem Wunderland entkommen. Gleiches gilt für
Mareike Hein (als Ehefrau Richards ohne viel Text, als Katherine eine Herzkönigin auf Speed). Lediglich Alois Reinhardt darf seinen Percy so stringent spielen, wie man es sich von den Königen
gewünscht hätte. Ein wenig mehr Würde hätten diese bei all ihren Fehlern schon verdient. Vielleicht kommt dies zumindest im zweiten Teil der Königsdramen zum Tragen. Premiere ist am 28. November.
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