„Ich will aus meinem eigenen Trend ausbrechen“, hat Lady Gaga erst vor wenigen Tagen in einem Interview gesagt. Rebellieren gegen sich selbst, gegen die Kunstfigur, das Marketing-Konstrukt. Deshalb auch das Jazz-Album „Cheek to Cheek“ mit Tony Bennett. Einfach mal old school sein. Ein nachvollziehbarer Wunsch, ist die New Yorker Sängerin doch tatsächlich vor allem durch ihre Performances und spektakulären, oftmals skurrilen Kostüme bekannt. Doch so ganz scheint sie sich nicht von ihrem früheren Ich verabschieden zu können: In der erstaunlicherweise nicht bis auf den letzten Platz gefüllten Lanxess Arena war die meiste Zeit über new school angesagt, eine wilde Mischung aus Rave, Pop und Rock, genau das also, was die treuen Fans, von Gaga liebevoll „Monster“ genannt, hören und sehen wollen. Eine Show, die nicht von dieser Welt war – die aber leider dank eines unterirdischen Sounds, viel zu laut und übersteuert, nur bedingt zu genießen war.
Vor allem die penetranten Techno-Passagen, die schon vor dem eigentlichen Auftritt des Superstars sämtliche Gehörgänge in Mitleidenschaft gezogen hatten und die sich im ersten Teil des „ArtRaves“
fortsetzten, waren eine Tortur. Das Schlagzeug wummerte, übertönte alles, ließ keine Klangqualität zu und blieb selbst in späteren rockigen Stücken dermaßen dominant, dass auch E-Gitarren-Soli
untergingen. „We have the same views on quality“, sagte sie irgendwann in einer ihrer vermeintlich inspirierenden Ansprachen. Schön wär's.
So blieb als Ausweg nur, die Ohren zu verschließen und sich ganz auf die optischen Aspekte der Show zu konzentrieren. Die entschädigten denn auch für einiges. Zwischen Konfetti-Schauern und
Alienblumen stöckelt Lady Gaga über die elaborierten Laufstege, die verschiedene Plattformen in der Halle miteinander verbinden, tanzt, singt und wechselt die Kostüme schneller als so mancher
Ex-Weltfußballer seine Frauen. Mal kommt sie als eine Mischung aus Venus und Engel, dann wieder als Barbarella oder als futuristische Cruella de Vil mit einem Kostüm aus
Dalmatiner-Alien-Tentakeln. Harmlos im Vergleich zu früheren Selbst-Inszenierungen, aber immer noch ziemlich verrückt. Und unterhaltsam.
Dabei wird Lady Gaga genau dann richtig gut, wenn sie leisere Töne anschlägt. Wenn sie, mal ganz ohne Schlagzeug, „Do what U want“ singt und beweist, was für eine fantastische Soul-Stimme sie
besitzt und in diesem Moment so authentisch erscheint, so echt, dass alle Masken irrelevant werden. Oder wenn sie bei „Born this way“ die völlig perplexe Martina aus dem Publikum zu sich auf die
Bühne bittet, die dann heulend vor Glück neben ihrem Idol sitzt und von Lady Gaga im Arm gehalten wird. Ganz ohne Rave. Den braucht es gar nicht, vernebelt er doch nur das Talent dieser
Ausnahmekünstlerin. Und wenn laut, dann wenigstens rockig. „Yoü and I“ oder „Judas“ haben Power, lassen aber wenigstens die stimmlichen Qualitäten Lady Gagas zur Geltung kommen, die zu Anfang
unter Beats und Moves vergraben waren. Ballast, den die 28-Jährige nur langsam abwirft. Aber immerhin. Vielleicht steigt sie so ja tatsächlich mal in höhere Sphären auf. Zumal sie 2015 beim
ersten kommerziellen Weltraumflug von Virgin Galactic gerne im All singen möchte. Das ist eben auch Lady Gaga: Immer nach den Sternen greifend.
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