Kreativität, Ausstrahlung und Einzigartigkeit: Ohne diese drei Eigenschaften ist Erfolg im Musikgeschäft zwar durchaus möglich, wie so viele Retorten-Künstler ein ums andere Mal beweisen, für wahre Größe sind sie aber unabdingbar. Am dritten Tag des aktuellen Crossroads-Festivals in der Harmonie zeigte sich dies eindrucksvoll am Kontrast der beiden auftretenden Bands. Hier die bei vielen Kritikern beliebten Folk-Punker The Smith Street Band mit Songs und Auftritt nach Schema F, dort das sympathische Künstlerkollektiv We Invented Paris mit ausgefeilten Melodien, Publikumsnähe und jeder Menge Luftballons. Zwei völlig unterschiedliche Gruppen, die beide derzeit auf dem Weg nach oben sind. Auch wenn nur eine es wirklich verdient hat.
Das Hauptproblem der Smith Street Band ist, dass sie sich nicht von anderen Punkern absetzen kann: All ihre Songs sind nach dem gleichen Muster gestrickt, setzen auf brachiale Kraft zwischen
einigen zurückhaltenden, aber leider auch vorhersagbaren Passagen, in denen Frontmann Wil Wagner nur mit Mühe die hingerotzten Verse aus druckvolleren Stellen wieder wettmachen kann. Zwar kann es
diese Musik durchaus vertragen, wenn nicht jeder Ton sauber intoniert wird, so lange der Sänger Charisma besitzt – doch Wagner ist kein Billie Joe Armstrong, kein Johnny Rotten und erst recht
kein Shane McGowan. Während er auf den CDs der Band noch durchaus zu seinem Recht kommt, bleibt er zumindest auf der Harmonie-Bühne austauschbar. Da hilft es auch nicht viel, wenn die restliche
Band Vollgas gibt und ihre Stücke grundsätzlich solide präsentiert.
Wie groß ist da der Unterschied zu We Invented Paris. Nicht nur musikalisch, auch wenn der ruhige, filigrane, unaufgeregte Indie-Folk-Pop natürlich mit der Punkrock-Kneipen-Attitüde der Smith
Street Band nur wenige Berührungspunkte hat. Doch schon die Bühne begeistert: Auf einmal stehen überall Glühbirnen, nicht diese modernen Energiespar-Dinger, sondern die schönen alten
Kohlefadenlampen anno 1900, die meisten von ihnen an Messingreflektoren gekoppelt. Wohnzimmer-Atmosphäre. Damit hat das Kollektiv ja bereits Erfahrung, immerhin begann es seine Karriere mit einer
Reihe von Couchsurfing-Konzerten. Und lässt genau dieses Gefühl wieder aufkommen. Mit Luftballons aus dem Partykeller oder einem unverstärkten, wunderbar dreistimmigen Song in der Saal-Mitte, der
leider durch einige unverschämt laut quatschende Besucher an der Bar nachhaltig torpediert wird. Manche wollen sich einfach nicht verzaubern lassen, verweigern sich dem
Zusammengehörigkeitsgefühl, dass auf diese Weise entsteht. Das ist Musik, die aus dem Innern kommt und andere berührt. Mit Schema F ist das nicht zu schaffen.
Kommentar schreiben