Bauchredner können im Alltag jede Menge Spaß haben. Wenn ungeborene Babys im Mutterleib auf einmal eine Stimme erhalten, leise Rufe aus einem Altkleidercontainer schallen oder in einem Paket eine Papageienstimme erklingt, könnte das zwar durchaus Grund zur Sorge geben, dürfte aber eher ein Ulk eines solchen Stimmkünstlers sein. Wahrscheinlich steckt sogar Benjamin Tomkins dahinter: Der gebürtige Österreicher hat erst vor vier Jahren sein Talent für die Ventriloquistik entdeckt, gibt aber bereits fleißig Tipps für die Nutzung dieser Technik abseits der üblichen Puppenspiel-Kultur. Das hat Charme und sicherte Tomkins den Online-Preis des diesjährigen Prix Pantheon. Jetzt war er wieder in Bonn und ließ die Puppen tanzen.
Denn trotz allem möglichen Schabernack ist Tomkins dann am besten, wenn er jemand anders seine Stimme leiht – und dann am schwächsten, wenn er selber spricht. Wenn seine Figuren zum Leben
erwachen und ihm das seine schwer machen, wenn er mit ihnen streitet und diskutiert, ihnen die Grundlagen ihrer eigenen Existenz vor Augen führt oder den Sinn des Lebens zu ergründen sucht,
brilliert Tomkins, der abgesehen von ein paar Fragen des Timings meisterhaft agiert. Doch parallel dazu versucht der 49-Jährige sich auch als Stand-Up-Comedian und Humoresken spielender Pianist.
Und das funktioniert zumindest bislang einfach nicht. Zu banal oder zu bemüht wirken die Melodien und Pointen, zu unstrukturiert und willkürlich. Vor allem die Lesung des offensichtlich neu
entdeckten Benjamin-Evangeliums, in dem Jesus die Bouillabaisse erfindet und in Jerusalem einen Gourmet-Tempel mit Döner eröffnet,ist albern und unnötig, zieht sich aber leider wie
Kaugummi.
Tomkins, bleib bei deinen Leisten. Äh, Puppen. Er, der von sich selbst behauptet „ früher war ich schizophren, aber jetzt sind wir wieder OK“, lässt in diesen Nummern fast keine Wünsche offen.
Vor allem der Alte Sack, ein herrlich grantiger und fieser Charakter, dessen Potenzial Tomkins gerade erst angekratzt hat, und die so unschuldig wirkende, aber alles durchschauende Schildkröte
Henriette mit ihrem Endsilbenspätzündungssyndrom begeistern das Publikum. Zu vielschichtig sind sie, zu komplex. Dabei setzt Tomkins ganz bewusst auf die Zerstörung von Illusion, betont immer
wieder seine Bauchrednerfähigkeiten, erklärt seinen Figuren sogar, dass sie nur Puppen sind (was etwa der Alte Sack nicht ohne weiteres akzeptieren will, während die ausgefuchste Henriette schon
längst aufgeklärt ist). Die daraufhin nur mit großen Augen in die Menge gucken und lautlos dafür plädieren, diesen seltsamen Menschen neben ihnen wieder in jene Psychiatrie einweisen zu lassen,
aus der er nach eigenen Angaben vor Jahren geflohen ist. Nur Puppen? Na ja, vielleicht. Aber nicht echt? Pah!
Natürlich erfindet Tomkins das Genre der Bauchredner-Comedy nicht neu, reiht sich vielmehr ein in die erfolgreiche Tradition von Künstlern, an deren Ende derzeit unter anderem Sascha Grammel und
Michael Hatzius stehen. Und jetzt eben ein umtriebiger Autodidakt, ehemaliger Gebrauchtwagenhändler und Weltenbummler, der mittlerweile über einen kleinen Zoo an Stoff-Kameraden verfügt, Fliegen,
Hunde und Dinosaurier in Bereitschaft hat. Was nun noch fehlt, ist der Feinschliff. Unter anderem ein vernünftiger Rahmen für das Programm, in den sich die einzelnen Nummern, die derzeit noch in
der Luft hängen, nahtlos einfügen lassen. Und neuer Text für den Alten Sack, so wie dieser es fordert. Die ersten Schritte in diese Richtung macht Tomkins schon. Natürlich nicht alleine. Sondern
in Begleitung. Dürfte ein gutes Gefühl sein.
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