BOB goes Matrix: Ganz großes Klangkino

Einmal kurz nicht drauf geachtet und sich zu sehr auf die Leinwand fokussiert, schon waren sie weg: Über 100 Musiker, einfach ausgeblendet. Normalerweise eine Katastrophe, in diesem speziellen Fall allerdings das größtmögliche Lob. Immerhin gelang es dem parallel zum Film „Matrix“ spielenden Beethovenorchester unter der Leitung von Frank Strobel damit, genau jene Spannung zu erzeugen und zu halten, die für den mit vier Oscars prämierten Science-Fiction-Blockbuster maßgeblich ist, ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu drängen und die Handlung zu überdecken. Während der Film in Originalsprache (mit deutschen Untertiteln) auf einer riesigen in der Beethovenhalle aufgehängten Leinwand zu sehen war, sorgte der Klangkörper für die musikalische Untermalung – und lieferte eine Meisterleistung ab.

Man hätte es sich ja einfach machen können: Beliebte Hollywood-Produktionen wie „Herr der Ringe“ oder „Fluch der Karibik“ bieten eine sehr melodische, klar strukturierte Musik, deren Hauptthemen jeder im Saal hätte mitsummen können. Andererseits: Das spielt ja jeder. Stattdessen wagte sich das Beethovenorchester daher an besagten Soundtrack von Don Davis, der mit seiner Mischung aus minimalistischen und polytonalen Motiven und dissonanten Tonschichtungen, die unter anderem an Avantgardisten wie Krzysztof Penderecki erinnern, eine enorme Herausforderung darstellt. Es gibt keine Leitlinien, kein klares harmonisches Konstrukt, dem man einfach folgen könnte, keine groß ausgearbeiteten Themen – nur winzige, aber essentielle Veränderungen in einer weitgehend bedrohlich wirkenden, unglaublich atmosphärischen Musik, die den damals visionären visuellen Effekte passende akustische zur Seite stellt. Klangflächen, atonale Texturen, postmoderne Aufbauten sorgen somit für das im Film intendierte Gefühl der Verfremdung, ständig sich wiederholende, aber gebrochene Elemente greifen das Spiegelmotiv und die Frage nach Realität und Illusion auf. Das Orchester setzte all dies exzellent um, vor allem die immer wieder extrem geforderten Blechbläser brillierten. Schön vor allem, dass sich die Musiker soweit zurückhielten, dass der Filmgenuss nur an einigen wenigen Stellen durch die massiven fortissimo-Stellen leicht eingeschränkt wurde – dies ist aber ohne eine Postproduktion, ohne ein finales Abmischen, schlichtweg unabdingbar. Dafür erlebte das Publikum den Soundtrack so in Reinform. Ein Genuss.

 

Das Publikum goutierte die Leistung des Beethovenorchesters denn auch mit stehenden Ovationen und langanhaltendem Applaus. Kein Zweifel: Projekt geglückt. Schade nur, dass eine Wiederholung dieser Aufführung derzeit nicht vorgesehen ist. Der doch recht beträchtliche Aufwand für dieses Konzert würde dies durchaus rechtfertigen, die erbrachte Qualität fordert es gar. Wahrscheinlich stehen dem aber vor allem rechtliche Gründe im Weg. Vielleicht beim nächsten Mal. Denn klar ist eins: Die Grundidee, Live-Musik zum Kinofilm zu bieten, kam so gut an, dass eine Fortsetzung begeistert aufgenommen werden dürfte. Genug gute Filme gibt es ja.

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