Atmosphärisch, experimentell, psychedelisch. Stampfend, rockig, wabernd, jazzig. So viele Begriffe, mit denen man die Musik von Guru Guru zumindest ansatzweise beschreiben könnte, ohne ihr wirklich gerecht zu werden. In der Harmonie haben die Krautrock-Legenden jetzt anlässlich ihres 45-jährigen Bestehens noch einmal den eigentümlichen Elektrolurch, das Markenzeichen der Band, aus dem Käfig beziehungsweise aus der Lüsterklemme gelassen und beeindruckend vielseitige und komplexe Klänge made in Germany in den Saal geschleudert.
Über die drängenden, wunderbar differenzierten und prominenten Schlagzeug-Patterns von Bandgründer Mani Neumeier und die unaufgeregten Bassläufe Peter Kühmstedts legten die beiden Gitarristen
Hans Reffert und Roland Schaeffer (der auch mal die indische Schalmei-Variante Nadaswaram in die Hand nahm) dichte Harmonien, die ab und zu mal an Pink Floyd erinnern, aus dieser Trance aber
schnell wieder flüchten und mal in den Bereich des Acid-, des Jazz- oder des Groove-Rock mäandern. Noch stärker wurden die Stücke, wenn sie etwas mehr Luft zum Atmen erhielten: Bei der
Finkenbach-Hymne „Living in the Woods“ füllte die Schamanen-Trommel Neumeiers die entstehenden Freiräume und sorgt für ein unglaublich intensives Erlebnis, während das vorangegangene „Jaipur“
zwar mit deutlich massiveren Riffs, aber einer dennoch fast greifbaren Spannung über den rollenden Toms überzeugen konnte.
Gegen die mittlerweile fast schon klassisch wirkenden Kompositionen setzte das Quartett den ein oder anderen schrägen Moment: Bei „Izmiz“ kam es zu einem Dialog zwischen Kazoo und Entenlocker
samt ausgiebiger Scat-Einlage, das völlig abgedrehte „Kabuki Dream“ nahm (samt eines verkleideten und Grimassen schneidenden Neumeiers) auf das traditionelle japanische Theater Bezug – und dann
war natürlich auch der besagte Elektrolurch präsent. Wieder war es Neumeier, der sich den skurrilen Kopfputz aufsetzte und nach dem Sinn des Lebens, der Musik und Guru Guru fragte, während die
blinkenden Lichter seiner Maske in der Dunkelheit flackerten. Irgendwie seltsam. Und irgendwie sehenswert. Immerhin gehört das zur deutschen Musikgeschichte. Nun - unser Erbe könnte weitaus
schlimmer sein.
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